Ihr sollt den Tag nicht vor dem Abend loben

  • Den Song findest du auf folgenden Alben: 1996 - E.I.N.S. / 1997 - Live in Dortmund


    Songinfos:


    Die anfänglichen „Schönen Grüße nach Düsseldorf und Berlin“ richten sich natürlich an die in den Kommentaren ja schon reichlich erwähnten Toten Hosen aus Düsseldorf und Ärzte aus Berlin. Erstere griffen die Onkelz in zahlreichen Interviewaussagen an (beispielsweise Anfang 1996 im Playboy, wo sie deren „abgeschmackte Landserheftchen-Romantik“, beispielsweise in „Lasst es uns tun„, beklagten), zweitere brachten 1993 im oben schon zitierten Lied „Schrei nach Liebe“ die Onkelz in direkten Zusammenhang mit der Nazi-Kapelle Störkraft.


    Dass eben jenes Stück etwa bei „MTV Unplugged“ (Live-Album „Rock’n’Roll Realschule“, 2002) mit verändertem Text („Zwischen Störkraft und den anderen…“) daherkommt, bedeutet bei den Ärzten übrigens keineswegs unbedingt eine endgültige Abkehr vom alten Text – sie variieren ihre Stücke auf Konzerten ständig.


    Stephan wendet im Text den im allgemeinen nicht ganz korrekt Karl Marx zugeschriebenen Begriff vom „Opium für’s Volk“ („Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie“, 1844; eigentlich aber von Heinrich Heine, 1840) auf das gleichnamige, damals aktuelle Album der Hosen an.


    Die Ärzte nahmen die Attacke mit Humor und imitierten „Ihr sollt den Tag nicht vor dem Abend loben“ auf einigen Konzerten („Für unsere Freunde aus Frankfurt“), um ihn mit dem Text von „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ als kindisch darzustellen. Ansonsten werden sich auch die Ärzte fortan in Interviews gegen die Onkelz wenden (prominentestes Beispiel: Das Onkelz-„MTV Masters“).


    Die Hosen reagierten zunächst gar nicht (Campino wiederholte beispielsweise die Einstufung als „Landserheftchen-Lyrik“ 1998 in der Frankfurter Rundschau), haben jedoch in jüngster Zeit einige sehr Onkelz-freundliche Interviewaussagen gemacht.

    Bei den Onkelz-Fans hatte es sich in Folge dieses Stücks eingebürgert, bei den Konzerten „Wir singen Scheiß Tote Hosen“ zu skandieren (worüber diese sich verständlicherweise öffentlich aufregten, zumal ein solcher Chor u.a. auf „Live in Dortmund“ zu hören ist). Auf späteren Konzerten haben die Onkelz dann mit entsprechenden Ansagen tatsächlich und sogar recht erfolgreich versucht, diese Gesänge einzudämmen.

    Kommentare der Onkelz zu diesem Song:

    Stephan: Ich finde nicht, dass es sich dabei um ein besonderes Ereignis handelt. […] Wir setzen uns in den Songs zur Wehr, weil wir nicht das breite Podium wie diese beiden Kapellen haben. Eigentlich sind sie uns scheißegal und haben uns menschlich wie musikalisch nie interessiert. So konnten wir auch nie etwas für oder gegen diese Bands sagen. Doch dann erschien dieses Ärzte-Stück mit der Zeile „Zwischen Kuschelrock und Störkraft steht ’ne Onkelz-CD“ [korrekt: „Zwischen Störkraft und den Onkelz steht ’ne Kuschelrock-LP“].


    Das hat mich ziemlich geärgert, weil ich von Musikern, die auch durchaus die Tagespresse verfolgen, einen höheren Informationsstand erwarte. Ich werde in einem Satz mit Störkraft genannt und das kann ich doch nicht auf mir sitzen lassen.

    Egal, wie das Lied an sich gemeint ist. Die Hosen haben auf ihrer CD „Opium für’s Volk“ auch keine Gelegenheit ausgelassen, um ein dummes Statement über uns abzulassen. Da wir einen Dienst haben, der sämtliche Artikel, die über uns erscheinen, ausschneidet, bekommen wir auch jede Äußerung von den Hosen oder anderen mit.


    Mir stinkt es, dass die sich überhaupt über uns eine Meinung bilden. Ich habe die Schnauze voll. Sie kennen uns nicht, aber gebärden sich wie der Messias, richten über andere Leute und wärmen alte Kamellen auf. Das steht niemandem zu. Es war Zeit, zu reagieren. […] Uns gibt es länger als die Hosen, und ZK waren sowieso einfach eine unwichtige Band. Als Punks haben sie uns nicht interessiert, weil sie zu lasch waren, und später hat uns die Musik nicht gefallen.


    Gonzo: Wir wissen, wo wir herkommen, haben unsere Konsequenzen gezogen und mit der Zeit dazugelernt. Also muss ich mir doch nicht von irgendwelchen aalglatten Kommerzpunks vorwerfen lassen, so oder so zu sein. Es gibt für die scheinbar keine anderen Gesprächsthemen. Sie sind eine richtige Teenie-Bravo-Band geworden.


    Stephan: Ich war sogar mit Campino bei MTV, und wir haben dort eine gemeinsame Sendung gegen Rassismus präsentiert. Wir beide kennen also unsere Standpunkte, haben gemeinsame Freunde. Vielleicht haben sie einfach Schiss, dass wir sie überrollen und schlicht mehr Platten verkaufen.


    Patrick Orth, der für die Hosen arbeitet, ist ein guter Kumpel, der uns noch aus alten Tagen kennt. Eigentlich dürfte es dann ja keine Missverständnisse geben. Solche Feindschaften gab es schon früher zwischen Bay City Rollers und Slade – oder waren es Sweet? Die Fantastischen Vier gegen die Rödelheimer. Eigentlich ist es affig. Aber die Onkelz haben sich schon immer gewehrt. Trotzdem möchte ich das Thema nicht so hochkochen.

    Rock Hard, 1996


    Stephan: Wie der eine oder andere weiß, ham‘ wir ein sehr gespaltenes Verhältnis zu unseren sogenannten „Deutsch-Punk“-Kollegen. Gerade das letzte Jahr sind wir mit dummen Argumenten in irgendwelchen Zeitungen unheimlich penetriert worden, das ging soweit, dass die Jungs irgendwie bei Hosen-Konzerten Leute mit Onkelz-T-Shirts rausgeschmissen haben. [Buh-Rufe] – Genau das ham‘ wir uns auch gedacht. Und vor allem dachten wir uns: „Wie ham‘ so ’n paar Kommerz-Punks irgendwie das Recht, den Onkelz an’s Bein zu pissen?“ Da müssen sie sich schon ein bisschen wärmer anziehen, und wir dachten, wenn sie Ärger haben wollen, dann können sie ihn haben.

    Konzert Ulm, 1996


    Stephan: Angesichts der Provokationen, die da im Vorfeld stattgefunden haben, musste das auf jeden Fall sein. Natürlich waren wir uns darüber bewusst, dass der Song jede Menge Negativresonanz auslösen würde, aber das interessiert uns nicht. Wir sind ’ne provokante Band und werden auch weiterhin provokante Texte schreiben. Vielen Leuten fehlen ja auch die entsprechenden Hintergrundinformationen. Wir haben den Song nicht gemacht, um Leute aufeinanderzuhetzen, sondern weil ihn sich die Hosen und Ärzte redlich verdient haben.

    Wenn die Hosen zum Beispiel Leute mit Onkelz-Shirts aus ihren Konzerten werfen oder sie zwingen, ihre Shirts umzudrehen, dann frag‘ ich mich ernsthaft, wie viel Punk bei denen noch im Spiel ist. […] [Der Song mag zwar nicht gerade zeigen, dass wir über der Sache stehen.]


    Dafür haben die Hosen ständig in Interviews gegen uns gehetzt, obwohl sie genügend Informationen über uns haben und es eigentlich besser wissen sollten. Wir dagegen haben diese breite Medienakzeptanz nicht. Wir hätten uns nicht einfach in der Presse wehren können, weil’s schlicht und einfach niemand zur Notiz genommen hätte. Also gab’s im Prinzip keine andere Möglichkeit als diesen Song. Allerdings ist das Thema in dem Moment, wo das Stück draußen ist, für mich abgeschlossen.

    Wir haben unsere Wut rausgeschrien, und damit ist das Thema gegessen. Ich weiß selbst, dass viele Hosen-Fans auch uns hören und umgekehrt. Das sollte man alles gar nicht so verbissen sehen…

    Rock Hard, 1997


    Stephan: Für mich ist das Thema auch durch. Die haben Scheiße gebaut und eine Reaktion darauf bekommen. Es ist jetzt auch nicht so, dass ich einen tierischen Hass auf die Band habe, da die mich viel zu wenig interessieren. Mich hat’s halt nur gestört, dass eine Band, von der ich weiß, dass man gemeinsame Freunde hat, so wenig Grips an den Tag gelegt hat. Ich hätte ein bisschen mehr Weitsicht erwartet. Es war nicht nötig, uns im Rahmen ihrer „policial correctness“ ständig in den Dreck zu ziehen. Das hat uns halt genervt und deshalb hab‘ ich dieses Lied gemacht.

    Die Hosen müssten es eigentlich auch besser wissen, denn der Manager der Band kennt uns noch, als wir ganz kleine Punks waren und er hat unseren ganzen Werdegang von Anfang an verfolgt. Er hat das der Band gegenüber auch schon ein paar Mal versucht zu erklären, aber die machen einfach zu…

    Animalize, 1998


    Stephan: Wir hatten mal ein Problem mit den Hosen – wenn man das so nennen kann. Für mich ist das aber eigentlich gegessen. Die Hosen haben sich ein paar Sachen erlaubt, die sie sich mit uns nicht erlauben können. Dafür haben sie dann die Resonanz in Form eines nett vorgetragenen Liedes bekommen – und das war’s. Ich denke mal, das Lied spricht für sich. Dass ich nicht der große Hosen-Fan bin, dürfte sich rumgesprochen haben. Wenn dann viele Fans einen persönlichen Zwist hochthematisieren, ist es nicht mein Problem. Aber die Hosen haben sich das Lied eben im Laufe der Zeit „erarbeitet“, indem sie in Interviews immer wieder Scheiße über uns erzählt haben. So wie der Stefan Raab eine von Moses P. gefangen hat, haben die Hosen eine von uns eingefangen – aber nur verbal.

    BodyStyler, 1998


    Stephan: Das Stück ist für unsere Freunde in Düsseldorf und Berlin.

    Konzert Wiener Neustadt, 1998


    Stephan: Vielleicht sollten wir uns nochmal dafür bedanken, dass ihr uns die Ehre gegeben habt, auf dem ersten Platz in den deutschen Charts zu sein. […] Es war uns vor allem eine Genugtuung, vor unseren Freunden aus Düsseldorf und Berlin in den Charts zu stehn.

    Konzert Schwerin, 1998


    Stephan: Vor dem nächsten Lied möchten wir uns bei euch bedanken, für diese obergeile Eins in den Media Control-Charts. […] Eine Genugtuung war es vor allen Dingen, vor diesen Wichsern aus Düsseldorf und Berlin diese Position inne zu haben!

    Konzert Stuttgart, 1998


    Stephan: Die Hosen haben damit angefangen, keine Onkelz-Fans in ihre Konzerte zu lassen. Da gab’s ganz klare Anweisungen an die Hosen-Security. Ich meine, Toleranz fängt ganz woanders an. Ich bin auch nicht der Meinung, dass wir unsere Fans aufhetzen. Im Gegenteil: Wir haben eingesehen, dass das Ganze ’ne Dynamik annimmt, die mit unserer Intention nichts mehr zu tun hat, und wir versuchen auch gegenüber unseren Fans, die Emotionen aus diesem Ding rauszunehmen. Es darf auf keinen Fall zu hoch gespielt werden. Was wir damals in „Ihr sollt den Tag nicht vor dem Abend loben“ gesagt haben, haben sich die Hosen allerdings über Jahre verdient. Da müssen sie sich nicht wundern. Wir haben den Scheiß nicht angefangen – und wir wollten auch nie Fans aufeinander hetzen.

    Rock Hard, 2002


    Schöne Grüße nach Düsseldorf und Berlin!


    Wir ham‘ lange überlegt ob wir reagiern

    Sollen wir schweigen? Sollen wir euch ignorieren?

    Doch da wir sowieso dabei sind uns mit allen anzulegen

    Kommt das, was wir von euch hören gerade gelegen


    Ihr wart immer schon kacke, schon immer zu weich

    Und eure Pseudomoral erkannten wir gleich

    Ihr spuckt ganz schön große Töne Könnt ihr euch das Leisten?

    Was wolltet Ihr damit bezwecken? Was beweisen?


    Opium fürs Volk, Scheiße für die Massen

    Ja, ihr habt es geschafft, ich beginne euch zu hassen

    Wenn ich so etwas sage ist es nicht gelogen

    Ihr sollt den Tag nicht vor dem Abend loben


    Ich dachte erst noch: Leckt mich. Doch ihr habt es übertrieben

    Ihr habt zuviel geredet und beschissenen Lieder geschrieben

    Wer nicht hören will, muß fühlen, ihr habt zu lange provoziert

    Zuviel Scheiße erzählt, und nichts kapiert


    Legt euch nicht mit uns an, denn wir führen wahren Krieg

    Gegen Lügen und Dummheit und das macht uns nicht beliebt

    Doch im Gegensatz zu euch, kann uns nichts passiern

    Denn wer keine Sympathie hat, kann sie auch nicht verliern


    Opium fürs Volk, Scheiße für die Massen

    Ja, ihr habt es geschafft, ich beginne euch zu hassen

    Wenn ich so etwas sage ist es nicht gelogen

    Ihr sollt den Tag nicht vor dem Abend loben


    Ganz anders als ihr - sind wir Stress gewohnt

    Wir suhlen uns darin, nur so fühln wir uns wohl

    Genug geredet – nur eins will ich euch noch sagen

    Wenn ihr Ärger wollt, den könnt ihr haben


    Opium fürs Volk, Scheiße für die Massen

    Ja, ihr habt es geschafft, ich beginne euch zu hassen

    Wenn ich so etwas sage ist es nicht gelogen

    Ihr sollt den Tag nicht vor dem Abend loben

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