Die Geschichte Teil 3

  • MACHS GUT DU SCHÖNE ZEIT

    Vor einem Skinheadpublikum spielten die Böhsen Onkelz nur auf drei, vier Konzerten. Ihre Premiere als Skinheadband hatten sie im Herbst 1983 in Berlin vor einem Publikum von ca. 50 Skinheads, und nur hier wurden die Lieder „Türken Raus“ und „Deutschland den Deutschen“ gespielt.


    Beim zweiten Skin-Konzert der Onkelz im August 1985 wurden sie immer wieder vom Publikum aufgefordert, diese beiden Songs zu spielen, doch das taten die Onkelz nicht.



    Schon zu dieser Zeit waren die Onkelz nicht mehr fest überzeugt vom Skinheadtum. Alle bis auf Kevin hatten ihre Haare etwas länger wachsen lassen, denn sie merkten, in was für eine Richtung sich diese Szene entwickelt hatte.


    Nach diesem Konzert merkten schon viele der ultrarechten Fans, dass sie die Songs der Onkelz vielleicht auch ein bisschen falsch interpretiert hatten, dass die Onkelz doch nicht so „rechts“ waren, wie sie selber und somit für sie nicht wirklich „hart“ waren, wie es sich für einen Skinhead ihrer Meinung nach gehörte.


    Stephan: „Wir waren uns damals nicht bewusst, dass wir ein Sprachrohr sind für viele Leute, die unsere Texte dann auch falsch interpretieren können.“


    In Skinheadfanzines konnte man nach dem zweiten Konzert lesen, dass die Onkelz „zu Heavy Metal“ wären, auch weil sie sich nicht mehr nach den starren Klamottenregeln der Szene richteten und Gonzo sogar in einem Motörhead-T-Shirt auf die Bühne kam.

    Aus einem Skinheadfanzine von 1985: „…spätestens seit der zweiten LP dürfte wohl jedem aufgefallen sein, dass die Onkelz lange nicht mehr dieselben sind wie früher.“


    Beim dritten und letzten Konzert der Böhsen Onkelz vor einer Glatzenmenge, im November 1985, wurde ihnen endgültig klar, dass sie mit dieser Szene nichts mehr zu tun haben wollten. Die ganzen Hitler-Fanatiker, die bei dem Konzert den Arm hoben und nur noch rechte Parolen schrieen, brachten sie zu diesem Schluss.


    Stephan: „Da wurden halt zwischen den Liedern nur ausländerfeindliche Parolen skandiert. Das war irgendwann so ekelhaft, dass wir irgendwann gesagt haben: das ist nicht mehr unser Weg. Also, wenn’s nur noch darum geht, dann wollen wir damit nichts mehr zu tun haben. Und das war auch wirklich so ein auslösender Moment, wo wir auch gesagt haben: vor den Leuten nicht mehr!“


    Die ersten öffentlichen Distanzierungen in Interviews gab es bereits im Frühjahr 1986:“Wir hatten keine Lust mehr, uns in eine Ecke drängen zu lassen, aus der wir nicht mehr herauskommen. Wir wollten unseren Spaß haben, und das war zum Schluss nicht mehr möglich.“.


    Und Kevin, der noch bis 87/88 mit Glatze herum lief sagte damals: „Ich lasse mir doch von keinem Arsch sagen: Weil ich Skinhead bin, muss ich jetzt singen „Sieg Heil‘“. Pe 87: „Es gibt sicherlich Gruppen, die Faschistisches im Sinn haben!“


    Gonzo: „Aber mit so was haben wir nie etwas am Hut gehabt!“


    Stephan 86: „Wir waren damals, wo’s in Deutschland angefangen hat, dabei und haben die ganze Bewegung mit aufgebaut. Und dann siehst du, wie ein paar Idioten die ganze Sache kaputt machen… Zu viele Leute, die früher die Bewegung geprägt haben, sind verschwunden, zu viele Leute, die diesen Ruf nicht halten können, sind dazu gekommen.“


    Die viel besungene Einigkeit innerhalb der Szene war längst verflogen.


    Die rechtsextremen Parteien versuchten, die Skinheads für sich zu gewinnen, und einige ließen sich mitziehen. Sie tauchten bei den Fußballspielen und Skinheadkonzerten auf und verteilten ihre Flugblätter. Die Onkelz hassten diese Leute, und verboten schon von Anfang an, dass sie bei ihren Konzerten Werbung für ihre Parteien machten.


    Stephan 1995: „Mir hat es schon damals an der Skinheadbewegung gestunken, dass irgendwann jede Scheiß-Nazi-Partei meinte, Skins für ihre Zwecke rekrutieren zu müssen und damit bei einigen Vollidioten auch noch offene Türen eingerannt hat. Diese Schlägertrupps müssen endlich aufwachen und etwas für ihren Scheißgrips tun.“


    Auch die Onkelz wurden immer wieder von diesen „Scheitelträgern“, angesprochen, um für Skinheads zu spielen, die sie schon auf ihre Seite gezogen hatten.


    Edmund Hartsch:„In einer Zeit, als Konzerte rar waren, als ihnen die deutsche Skinheadszene zu Füßen lag, als sie jedes Skinheadtreffen mit einem Auftritt ihrer Band dominieren konnten und ihr Einfluss auf die Glatzen groß war, weigerten sie sich, für rechte Parteien auch nur eine Note anzuschlagen.“


    Gonzo: „Die von der FAP und NPD kamen auf uns zu, um uns für sich zu gewinnen. Da haben wir gesagt: ‚Haut ab, wir wollen nichts mit euch zu tun haben‘ Das wurde dann so schlimm, dass wir gesagt haben: ‚Es geht nicht mehr, wir können uns damit nicht mehr identifizieren, es sind zu viele Nazis in der so genannten Bewegung.‘“ Die Onkelz ließen sich nie vor den Karren irgendwelcher Parteien spannen.


    Stephan 1988: „Wir spannen uns nur vor unseren eigenen Karren…die einzige Sache, für die ich vielleicht mal benefizmäßig was machen würde, das wären so Sachen wie vielleicht Greenpeace oder so was, wo ich mich wirklich persönlich identifizieren kann, wo ich hundertprozentig dahinter stehen kann, aber das ist eben auch keine politische Bewegung, für mich jedenfalls nicht.“


    Zwischen 85 und 86 entfernten sich die Onkelz immer mehr vom Skinheadkult, von Patriotismus und ausländerfeindlichen Sprüchen und trennten sich auf dem Höhepunkt ihrer Skin-Karriere von den meisten ihrer alten Fans. Allerdings bestand ihr Fankreis auch zu ihrer Skin-Zeit nicht nur aus Skinheads und Hooligans. Immer noch gab es einige Punks, die sich nicht von den Regeln der „neuen“ Punkszene vereinnahmen und sich von der immer besser werdenden Onkelzmusik begeistern ließen, und auch damals gab es schon einige Fans aus der Heavy-Metal-Szene, von denen aber kaum einer auf den Konzerten auftauchte.



    Ein Fan (seit 1985): „Ich habe die Entwicklung der Onkelz so gesehen, dass ihr Ruf eine Projektion ihrer Zuhörer ist. Schlimm genug, dass sie sich nicht dagegen gewehrt haben, aber sie waren für mich nie rechtsextrem. Allerdings konnte ich mich mit dem Publikum der alten Onkelz nie anfreunden, denn diese gehörten zu dieser extremen Szene. Nach dem Ausstieg der Onkelz aus der rechten Szene wurde offensichtlich, wie sehr das Publikum die Band mit ihren eigenen Definitionen behaftet hat, denn wenn man heute in rechtsextremen Kreisen das Wort ‚Onkelz‘ in den Mund nimmt, kann man schnell rennen oder aber man lässt sich verhauen.


    “Ein anderer Fan sagt: „Bei der Beurteilung muss man auch immer die damalige Zeit und die damaligen Umstände berücksichtigen. Man kann nicht mit dem Wissen von 1997 irgendwelche Sachen von 1982/83 beurteilen dazu muss man sich schon die Mühe machen und die damaligen Gegebenheiten betrachten.“



    Stephan: „Da gibt’s nichts zu beschönigen: Wir waren ausländerfeindlich, aber das hatte nichts mit Politik zu tun… Wir waren ja nicht politisch motiviert, sondern im Prinzip hat uns die Straße motiviert. Die Straße hat uns diese Einsicht gegeben, die ständigen Schlägereien mit ausländischen Jugendgangs und so weiter und so fort. Das ist der Anlass, solche Statements abzulassen. Und nicht, weil wir uns nach einem vierten Reich sehnten. Ich hab nie eine Rassenreinheit oder so was propagiert“


    Für die Bandmitglieder war der Ausstieg aus der Skinheadszene wohl schon eine größere Veränderung in ihrem Leben, aber sicherlich nicht so ein großer Schritt, wie sich das später viele vorstellten, und schon gar nicht von heute auf morgen. Es war kein Wandel sondern es war ihre Entwicklung, vom Kind zum Jugendlichen, zum eigenständigen Erwachsenen mit Verantwortung.


    Vom Punk zum Skin zum Rocker, keiner bestimmten Gruppe zugehörig, Schritt für Schritt, vom Müllmann zum Rockstar. Und es ist auch schwer, das alles gleichermaßen auf alle vier Onkelz zu beziehen. Jeder hat sich im Lauf der Zeit individuell weiterentwickelt, Meinungen geändert, Fehler eingesehen. Sie übernahmen Verantwortung, wurden offener für andere Leute, andere Szenen und Kulturen, fingen an, viel in fremde Länder zu reisen, änderten ihren Musikgeschmack und wechselten die Freundeskreise. Und ihnen wurde wohl auch die Verantwortung bewusst, die sie gegenüber ihrem immer größer werdenden Fankreis haben. Kevin wurde zum Startätowierer in Frankfurt, Stephan machte einen Skateshop auf und Pe machte seinen Zivildienst.



    Edmund Hartsch schrieb in seinem Buch über seine ersten Begegnungen mit Stephan und Pe 1987:


    „Stephan, ein verheirateter Mann von 24 Jahren erzählte mir damals, dass er und seine Freunde eine Band hätten, dass sie die Böhsen Onkelz hießen und in Skinhead und Hooligankreisen eine Kultband gewesen wären, dass sie aber seit einiger Zeit das Gefühl hatten, dieser Szene entwachsen zu sein.


    Sie wollten sich musikalisch weiterentwickeln, und ich erinnere mich, dass ebenfalls die einsetzende Politisierung in der Skinheadszene ein Grund ihres Ausstiegs gewesen ist… Sie begegneten mir mit Toleranz und selten erlebter Offenheit und sie nahmen kein Blatt vor den Mund.


    Ich hatte nicht den geringsten Grund an der Ehrlichkeit ihrer Aussagen zu zweifeln. Vielleicht sollte ich erwähnen, dass ich zu dieser Zeit sehr lange Haare hatte, mit meiner afrikanischen Freundin zusammen wohnte, andere Musik als Stephan und Pe hörte und aus einem komplett anderen Milieu stammte.“

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