Distanzierungen 1998

  • 1998

    Onkelz: Fürchtet die Onkelz wie euch selbst / Deutschland kotzt und uns gefällt’s / Wir tauschten Hass gegen Gitarren / Denn wir sind Onkelz und keine Narren


    Song „Viva los tioz„, 1998



    Stichwort: Ostdeutschland

    Gonzo: Aus den bekannten Gründen haben wir da jahrelang nicht gespielt. Doch auf der letzten Tour hatten wir dort zwei Gigs. Der erste lief mit gemischten Gefühlen ab, weil es zu untypischen Störungen kam, wobei der zweite in Erfurt sensationell war – ein Killer-Publikum.


    Break Out, 1998


    Onkelz: Wir gehen vorwärts / Ohne Furcht / Nicht am Rand / Sondern mittendurch


    Song „Terpentin„, 1998


    Onkelz: Immer am falschen Ort / Zur falschen Zeit / Voll daneben / Zu allem bereit / Mal auf und mal ab / Ich hab’s oft nicht geblickt / Mich wieder und wieder in die falsche Richtung geschickt / […] / Mein Mund war zu groß / Mein Hirn zu klein / Ein falsches Wort / Dann war es so weit / Wer nicht hören will muss bezahlen / Also ging ich durch das Haus der Qualen



    Song „Scheiße passiert„, 1998



    Onkelz: Antifa / Ihr könnt mich mal / Ich lache über euch und ihr merkt es nicht mal / Ihr kämpft gegen mich / Wie lächerlich / Denn euren wahren Feind, den seht ihr nicht / Ihr seid blinder als blind / Pseudomoralisten / Dumm und intrigant / Nicht besser als Faschisten / […] / Und hier ein paar Worte an die rechte Adresse / Leckt uns am Arsch, sonst gibt’s auf die Fresse / Ich hasse euch und eure blinden Parolen / Fickt euch ins Knie, euch soll der Teufel holen / Ihr seid dumm geboren / Genau wie ich / Doch was ich lernte, lernt ihr nicht / Ihr seid blind vor Hass / Dumm wie Brot / Ihr habt verschissen / Eure Führer sind tot / Ohne mich / Mich kriegt ihr nicht / Ich bin frei wie der Wind / Kapiert ihr das nicht / Ohne mich / Mich kriegt ihr nicht / Ich hab das dritte Auge / Seht ihr das nicht



    Song „Ohne mich„, 1998



    Stichwort: Buch

    Stephan: Gut ist auch, dass die Leute an unserem Beispiel sehen, wie man sein eigenes Leben beeinflussen und verändern kann. Egal, wie tief man in der Scheiße steckt: Es gibt immer einen Ausweg.



    Rock Hard, 1998



    Frage: Ist das Buch auch eine Art Vergangenheitsbewältigung für euch?

    Kevin: Ja, auf jeden Fall, auch wenn einige der krassesten Aktionen noch fehlen.

    Stephan: Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Es wird nichts Wichtiges verschwiegen. Aber wie derbe es bei den Schlägereien zur Sache gegangen ist, tut nichts zur Sache. Wir verschweigen den Vorfall nicht, sondern nur gelegentlich die krassesten Auswüchse. Wir wollten nicht dieses hollywoodmäßig Reißerische. Das Buch hat auch so genügend Brisanz.



    Es tauchen in unseren Köpfen tatsächlich Dinge wieder auf, die man schon fast verdrängt hatte und die auch nichts mehr mit unserem heutigen Leben zu tun haben. Aber sie zeigen, wie wir uns aus den Problemen, die wir mit uns und anderen hatten, herausmanövriert haben. Es zeigt den Fans, dass man seinem Schicksal nicht einfach nur ergeben ist, sondern dass man es selber in die Hand hat, sein Leben zu ändern.



    EMP Magazin, 1998



    Frage: Ihr wart zirka dreieinhalb Jahre Skinheads. Was hat euch bewegt, die Szene 1986 endgültig zu verlassen?

    Gonzo: Genau dasselbe, was mit dem Punk passierte, wiederholte sich bei den Skins. Kommerz ohne Ende, diese Schuhe sind in, diese Schuhe out, und so weiter. Außerdem haben damals viele rechte Parteien versucht, die Skins in ihr Lager zu ziehen. Bei vielen erfolglos, aber eine neue Generation wuchs nach und wandte sich den Rechten zu. Wir hatten darauf keinen Bock.



    Frage: 1991 habt ihr auf euren Konzerten Flyer verteilt und Kommentare zu eurer Einstellung gegeben. Was hat euch dazu veranlasst?

    Gonzo: Unser Bild in der Öffentlichkeit zum einen. Aber noch mehr Anlass waren die Rechten, die versuchten, uns vor ihren Karren zu spannen.



    Spektrum, 1998



    Onkelz: Ein Hitlergruß hat bei unserem Konzert nichts verloren!



    Konzert Ulm, 1998



    Frage: Interessant finde ich „[Link]Ohne mich“, ein Lied über die Anfeindungen aus dem rechten und linken Lager.

    Stephan: Da muss man ein bisschen differenzieren, denn es geht hier nicht um Linke im Allgemeinen, sondern um Linksextreme. Speziell die Antifa, die uns mehrfach extrem denunziert, extreme Falschmeldungen rausgebracht und extreme Scheiße in unsere Richtung gebaut hat. Die Antifa hat Meldungen gestreut, dass wir auf unseren Konzerten rechtsradikale Lieder spielen, aber diese von den Fans singen lassen. Dadurch stehen wir natürlich extrem unter Beobachtung, sei es durch die Presse oder die Polizei. Es geht hier auch nicht darum, einen antifaschistischen Kampf negativ zu bewerten, da ich einen solchen für absolut nötig halte. Wenn diese Leute allerdings die gleichen Mittel wie die Rechtsradikalen benutzen, dann finde ich das einfach uncool. Es geht hier nicht um links oder rechts, es geht hier um Extreme.



    Frage: Was kotzt dich mehr an, Anfeindungen aus dem rechten oder dem linken Lager?

    Stephan: Prinzipiell finde ich ’ne rechte Strömung beschissener als eine linke, mit der ich mich dann doch mehr anfreunden kann. Die Argumente der rechten sind halt ziemlich doof. Doch ich finde, dass sich die Antifa schon fast auf das gleiche Niveau herab begeben hat. Es geht hier nicht um links oder um rechts, sondern einfach nur um Extreme. Wenn du versuchst, deine Existenzberechtigung durch Feindbilder künstlich zu schaffen oder aufrechtzuerhalten, dann ist es Scheiße. Ist doch egal, ob es ein Linker oder ein Rechter macht – es ist Kacke.



    Animalize, 1998



    Stichwort: Fehler in der Vergangenheit

    Stephan: Wir sind jetzt Mitte Dreißig und das Ganze liegt so weit hinter uns. Wir waren damals noch jung und dumm und haben uns keine Gedanken über irgendwelche Ideologien gemacht.



    Frage: Habt ihr nach wie vor die Art von Nationalstolz, die ihr zum Beispiel in „[Link]Deutschland“ von 1984 zum Ausdruck bringt?

    Stephan: Heute sind wir nur noch Patrioten wenn Fußball gespielt wird. Leute, denen die Identifikation fehlt, verstecken sich hinter Nationalstolz.



    Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, 1998



    Frage: Würdest du das Rad der Zeit zurückdrehen und eure Vergangenheit rausschmeißen wollen, oder sagst du: „Dadurch haben wir gelernt, dadurch sind wir das geworden was wir heute sind“?

    Stephan: Also auf jeden Fall Zweiteres, da brauch ich gar nicht lang drüber nachzudenken. Ich würde gar nix zurückdrehen wollen und irgendwie ändern wollen. Ich will nicht versuchen meine eigene Historie zu manipulieren. Das war nun mal so. Da sind natürlich aus heutiger Sicht einige Dinge dabei, die ich anders machen würde, wenn ich diese Reife und die Erfahrung [gehabt] hätte, die ich heute habe. Aber das gehört einfach zu unserem Werdegang dazu. Und wir ham‘ ’ne Menge draus gelernt, und das ist das Entscheidende. Dass wir Fehler nur einmal gemacht haben und dann draus gelernt haben. Und ich finde, das ist absolut legitim. Weil dazu sind Fehler da: Dass man draus lernt. Leute die ihre Fehler immer wieder und wieder begehen, und sich nicht weiterentwickeln, damit habe ich ein Problem.

    Frage: Wie seid ihr denn damals überhaupt dazu gekommen, so einen Text wie „Türken raus“ zu schreiben?

    Stephan: Erstmal muss man ja sagen, dass dieser Text ja eigentlich gar kein Text ist, da werden einfach nur ein paar Schwachsinnigkeiten ausgestoßen, sagen wir’s mal so. Das ist ja wirklich ein ganz absurder Text, sehr an den Haaren herbeigezogen. Das Lied ist auch nie veröffentlicht worden, das muss man ja auch nochmal dazusagen. Und als wir dieses ganze Ding gespielt haben waren wir 16 Jahre alt, das muss man sich auch mal vorstellen. Ohne jetzt was entschuldigen zu wollen – aus meiner heutigen Sichtweise ist das natürlich auch total verwerflich. Ich würd‘ jeder anderen Band die das tut auch alles Mögliche an den Kopf schmeißen: „Wir könnt ihr sowas tun, seid ihr bescheuert?“.



    Aber verdammt nochmal, es is‘ halt nun mal eben passiert. Du lebst einfach in ’nem Ghetto, und hast im Prinzip Schiss, weil du so ’n Zwerg bist, zur Schule zu gehen, weil du ständig auf die Fresse bekommst. Und irgendwann hast du halt die Möglichkeit, du hast ’ne Gitarre und du hast ’n Mikrophon vor dir, und dann machst du deiner Wut Luft. Und das waren in dem Fall halt eben leider Gottes die Türken gewesen. Aber ich denk mal, wenn man die Historie von uns kennt, und von dem Song kennt, und auch weiß wie der Song hochgespielt wurde, wie wenig Leute den Titel ja eigentlich kennen – es kennt ihn ja niemand, jeder hat schon mal davon gehört, aber die Musik, den Text, kennt keiner, hat keiner gehört, weil es eben auch nie veröffentlicht wurde, glücklicherweise. Ich denk mal, das ist einfach ein Scheiß Ding gewesen, gar keine Frage.



    Aber wie gesagt: Wie oft erwischt sich jemand von uns, oder erwischt du dich vielleicht auch mal, zu sagen: „Hier, diese Scheiß Typen“. Ich mein‘, guck dir an was hier in Frankfurt bei der Konstabler Wache passiert: Da wirst du im Prinzip mit Drogen schon totgeschmissen wenn du nur über die Straße läufst. Und diese Leute ham‘ einfach auch gar kein Interesse daran, sich mit dir auseinanderzusetzen, warum solltest du Interesse ham‘, dich mit denen auseinanderzusetzen? Und das immer noch unter dem Aspekt, dass ich 16, 17, 18 Jahre alt war. Heute denk ich natürlich über diese ganzen Dinge komplett anders, das is‘ gar keine Frage. Nur wenn du direkt mit dieser Gewalt konfrontiert wirst, wirst du auch bereit, Gewalt auszuüben, weil’s dir nämlich sonst an den Kragen geht. Und da ham‘ beide Seiten keine andere Sprache verstanden außer Gewalt, leider Gottes.



    Stichwort: Namenswechsel

    Stephan: Das war nie in Diskussion und hätt’s auch nie sein können. Weil du kannst nicht ’n Fehler machen, dich umbenennen und so tun als wär‘ nix gewesen. Zumal uns das eh keiner abgenommen hätt‘. Die Leute die das vorschlagen müssen meines Erachtens sowieso schon mal schizophren sein, weil wer sowas überhaupt erst in Erwägung ziehen kann würde sowas ja für sich selbst anwenden. Und da muss ich ja mal fragen: „Leute, meint ihr wirklich, dass das die richtige Handelsweise ist, da zu sagen: „Heute kack ich irgendjemandem vor die Tür und morgen änder ich meinen Namen und es ist nie geschehen“?“. Also das ist ja Quatsch, die Auseinandersetzung muss in dir stattfinden.



    Und ich glaub mal, in dem Moment wo du auch zeigst, dass du dich entwickelt hast, und dass du dich mit deinem Fehler oder deiner Vergangenheit auseinandergesetzt hast, und daraus gelernt hast, und dich als das präsentierst was du heute bist, nämlich auch die Summe aus deinen Erfahrungen und Fehlern, das ist viel wichtiger. Dass du den Leuten zeigen kannst: „Pass mal auf, du kannst Scheiße bauen, du musst nur draus lernen, und es das nächste Mal besser machen, anders anpacken und reifen“. Und ich finde, das ist viel wichtiger, und viel besser auch für die Leute, viel besser für deine Fans. Dass du denen einfach zeigst: „Guck mal hier, was ich aus mir gemacht habe. Und das ist für euch auch möglich“.



    MTV, „News Bulletin“, 1998



    Stephan: Okay, das nächste Lied möchte ich nicht undokumentiert lassen, da es ein etwas heikles Thema hat. Und zwar geht es hier um Rechtsradikalismus und um Linksradikalismus. Okay, ich möchte, dass ihr wisst, dass wir mit solchen Leuten nicht sympathisieren, weder mit der einen Seite noch mit der anderen. Wir glauben, dass Leute, die ihre politische Gesinnung mit Gewalt und Erziehung vertreten müssen, Unrecht haben. Genau darum geht es im nächsten Lied: „Ohne mich„!

    […]

    Stephan: Ich würd‘ sagen, Jungs, diejenigen, die hier die ganze Zeit den Fuck-Finger zeigen und den Hitlergruß machen, die sollten besser schnell rausgehen, bevor ich euch rausschmeißen lass, is‘ das klar? Ich frag mich, dass sich hier immer noch ein paar Vollidioten auf ’n Onkelz-Konzert verirrt haben. Die müssten’s doch langsam kapiert haben, ihr Idioten! Ich sag euch, wir spielen noch zehn Jahre lang, bis der letzte Vollidiot nicht mehr auf ’n Onkelz-Konzert geht!

    Kevin: Dann macht doch jetzt mal so, damit wir euch aussortieren können! Macht’s doch mal, zeigt doch mal! Zeigt euch, ihr feigen Schweine! Komm, macht mal so! Habt ihr die Fresse voll jetzt, oder was?



    Stephan: Auf, marschiert raus, ihr Penner!

    Kevin: Zeigt euch! Zeigt uns das doch! Verpisst euch, ihr Wichser!



    Konzert Stuttgart, 1998



    Stephan: Wir wollen, dass euch klar ist, dass wir mit Leuten die ihre Meinung, beziehungsweise ihre politische Gesinnung, mit Gewalt und Erziehung durchsetzen wollen, nichts am Hut haben und sie nicht mit unserer Sympathie rechnen können – im Gegenteil. Wir verabscheuen blinde Gewalt! Das Einzige wofür es sich lohnt, Gewalt auszuüben ist zum Schutze seiner Familie und seiner Freunde, und nicht um seine politische Meinung kundzutun.



    Konzert Erfurt, 1998



    Stephan: Das Gelaber über rechts und links bringt nichts. Ein Großteil der Rechtsradikalen sind Mitläufer, die um jeden Preis auffallen und provozieren wollen. Viele davon haben die Parolen ebenso wenig politisch verinnerlicht wie wir damals. Wir haben einfach unseren Frust mit völlig schwachsinnigen Texten wie „Türken raus“ und „Deutschland den Deutschen“ herausgeschrieen. Den Frust von Zukurzgekommenen, nicht den von überzeugten Nazis. […] Rechtsradikale werden bei Onkelz-Konzerten nicht geduldet. Wir haben kein rechtes Problem.



    Associated Press, 1998



    Frage: Bei den Hooligan-Ausschreitungen bei der WM ’98 waren auch Deutschland-Trikots zu sehen, auf denen euer Schriftzug gedruckt war. Berührt dich das?

    Stephan: Was meinst du, wie viele von denen mit DFB-Logo rumgelaufen sind? Redet da einer drüber? Mich hat es viel mehr entsetzt, dass Leute bei den ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Mölln und Rostock Onkelz-Shirts trugen. Wenn es gegen Minderheiten geht, das nervt mich.



    Frage: Wie hat sich dein persönliches Verhältnis zu Gewalt im Laufe der Zeit gewandelt?

    Stephan: Diese blinde Gewalt liegt so weit hinter mir – das ist wie ein Teil meines Lebens, den ich nicht mehr nachvollziehen kann. Deshalb heißt es ja auch auf unserem neuen Album [bei „[Link]Viva los tioz“]: „Wir tauschten Hass gegen Gitarren“.

    Frage: Wie stehst du zu Ordnungshütern, sprich Polizeieinsatzkräften?

    Stephan: Ich habe lange genug auf der anderen Seite gestanden, um nicht unbedingt ein Freund der Polizei zu sein. Trotzdem ist sie ein notwendiges Übel. Ohne sie würde noch mehr Gewalt herrschen als ohnehin schon.

    Frage: Eure rechtsextreme Vergangenheit scheint auf immer und ewig an euch zu haften. Registrierst du Fortschritte oder sind die Fronten verhärtet?

    Stephan: Beides. Manche wollen es eben nicht kapieren. Wir sind weder für Links-, noch für Rechtsextremismus. Wenn man sich zu sehr auf eine Richtung konzentriert, verliert man an Objektivität.



    Frage: Dass ihr Onkelz gegen rechts kämpft, ist bekannt. Versuchst du auch in deiner privaten Umgebung etwas dagegen zu unternehmen?

    Stephan: Natürlich reagiere ich darauf. Es geht darum, dass man seine Macht gegen Schwächere nicht ausnutzt. Das ist ein Armutszeugnis.

    Frage: Bist du religiös?

    Stephan: Man sollte erst mal lernen, an sich selbst zu glauben. Ich kann nicht sagen, dass ich einer bestimmten Religion anhänge – es ist eher eine Art Puzzle. Ob das jetzt der muslimische, buddhistische oder der christliche Glaube ist. Ich denke, dass in all diesen Dingen eine Menge Wahrheit steckt.

    Frage: Bist du am politischen Tagesgeschehen interessiert?



    Stephan: Man könnte mich als Informations-Junkie bezeichnen. Ich sauge das auf, wie andere ihr täglich Brot essen. Allerdings bilde ich mir meine eigene Meinung zu den Vorkommnissen.



    Frage: Wirst du dich an der Bundestagswahl beteiligen?

    Stephan: Lange Zeit habe ich das kleinste Übel gewählt. Solange bis dieses kleine Übel, die Grünen, meine Band angegriffen und versucht haben, Konzerte von uns verbieten zu lassen. Seitdem bin ich Nichtwähler.



    Frage: Würde es dich reizen, ein politisches Amt zu übernehmen?

    Stephan: Ich fühle mich dazu weder intelligent noch verlogen genug. Eine Partei kann eigentlich keine ehrliche Politik machen. Sie braucht eine Lobby, muss Konzessionen machen, um Stimmen zu bekommen. Wenn es mir langweilig werden sollte denke ich nochmal drüber nach.



    Frage: Fühlst du dich als Deutscher, Europäer oder Kosmopolit?

    Stephan: Prinzipiell finde ich es cool, dass Grenzen fallen, eine Einigkeit entsteht. Eine geile Sache.



    Metal Hammer, 1998



    Frage: Ihr dürftet euch mit „Ohne mich“ mal wieder kräftig in die Nesseln setzen, legt ihr euch da doch gleichzeitig mit der Antifa und Rechtsradikalen an.

    Stephan: Das müssen wir in Kauf nehmen, aber ich denke, die Onkelz sind nicht dafür da, allen nach der Schnauze zu reden. Zumal wir politisch zwischen diesen beiden Lagern stehen. Die Rechten behaupten, dass wir linke Verräter sind, während wir für die Linken Faschisten sind. Für mich war es mal an der Zeit, klarzumachen, dass mir beide Seiten, die im Prinzip mit ähnlichen Mitteln arbeiten, absolut gegen den Strich gehen und dass man mit Gewalt und Denunzierungen nicht weit kommt.



    Natürlich werde ich mit dem Song jetzt nicht die Welt verändern, aber zumindest schafft man sich damit ein bisschen Luft und tritt diesen Leuten mal auf den Schlips. Provokation und Wut haben schon immer einen großen Teil unseres Antriebs ausgemacht. Das hat nichts mit Hass zu tun. So heißt es in dem Song „Viva los tioz“ ja auch: „Wir tauschten Hass gegen Gitarren“. Ich verspüre also keinen Hass gegen diese Leute, sondern wundere mich nur über deren Doofheit und Intoleranz. Besonders über die Antifa, die sich selbst als aufklärerisch bezeichnet und uns vor dem Weltfaschismus retten will, aber gleichzeitig Mittel anwendet, die nicht zu ihrer Ideologie passen. […]



    Ich glaube, von uns geht keiner zur Wahlurne. Der Kevin ist als Engländer ja sowieso nicht wahlberechtigt. Früher habe ich, wie viele andere Leute auch, immer das kleinste Übel gewählt. Aber nachdem uns auch das kleinste Übel – ich mein‘ jetzt die Grünen – konkret Schwierigkeiten gemacht hat, was Onkelz-Konzerte betrifft, habe ich mir das Wählen abgeschminkt. Außerdem kann ich mich mittlerweile in keinster Weise mehr mit diesen ganzen Parteien identifizieren.



    Rock Hard, 1998



    Frage: Wie haltet ihr das rechtsextreme Publikum aus den Hallen raus?

    Stephan: Wir wollen jetzt vor allen Dingen erstmal nicht die Schublade aufmachen und sagen: „Jeder mit ’ner Glatze und mit ’ner Bomberjacke ist ’n Fascho“, weil dann machen wir den Fehler, den Politiker auch machen. Und Leute, die sich in irgendeiner Form eindeutig zu nationalsozialistischen Ideologien bekennen, in Form von Emblemen, T-Shirts oder auch durch Äußerungen oder durch Grüße, die uns alle bekannt sind, die werden rausgeschmissen. Soweit wir das natürlich feststellen können, das ist klar. In ’ner Menge von 12.500 Leuten gibt’s sicherlich den einen oder anderen Spinner drunter, den man am Eingang nicht erkennt.



    Eins Live, „Nachtsicht“, 1998



    Stichwort: Veränderung der Onkelz

    Stephan: Ich hasse Menschen, die jemanden oder etwas ablehnen, weil er oder es nicht mehr so ist wie früher. Als ob es ein Gütesiegel wäre, wenn man so ist wie früher. Ich finde, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Na klar hat man einen Background und gewisse Traditionen, aber Leute, die auf ihrem geistigen Niveau von vor zehn Jahren stehen geblieben sind, mit denen kann ich heute nichts mehr anfangen. Du wirst doch jeden Tag mit Informationen überschüttet, und die solltest du nutzen um dein Wissen zu verbessern.



    Vielleicht warst du gestern von einer Sache hundertprozentig überzeugt, doch durch neue Informationen revidierst du deinen Standpunkt wieder – das ist deine tagtägliche Entwicklung, die du durchmachst. Leute, die das nicht checken, sind für mich schwachköpfige Trauerklöße.



    Stichwort: Hooligans, Fall Nivel

    Stephan: Ich finde es scheiße, dass man jemanden mit Schlagstöcken und Tritten ins Koma befördert, der bereits am Boden liegt und zudem noch Familienvater ist, doch der Hype, der daraus gemacht wird, ist auch masslos überzogen. […] Es rechtfertigt zwar nicht die Tat, aber wenn so ein Vollidiot die Möglichkeit hat, auf einen Bullen loszugehn, dann wird er es tun. Traurig aber wahr.

    Stichwort: „Der nette Mann“

    Stephan: Manche Stücke, wie zum Beispiel „Der nette Mann„, finde ich auch heute noch gut, aber es gibt auch viele Songs, die mir kräftig auf die Nerven gehen und die ich mir heute nicht mehr reinziehen würde. Als Zeitdokument ist die Platte jedenfalls wichtig – es ist die Kult-Platte der Glatzen. Und wir waren damals Glatzen aus vollem Herzen und haben, glaube ich, den Skins und Hools eine Scheibe verschafft, die sie nachher nie wieder bekommen haben. Aus diesem Grund finde ich sie ganz okay – auf der anderen Seite hat sie aber auch negative Seiten.



    Stichwort: „Mexico“

    Stephan: Damals hatten wir mit Rock-o-Rama schon mächtig Ärger und wollten eigentlich nichts mehr für die machen, da sie verstärkt Nazi-Bands gesignt haben. Deshalb ist „Mexico“ auch nur ’ne EP. Wir wollten denen kein komplettes Album schenken.

    Stichwort: Politik

    Stephan: Im Prinzip nicht durchführbar.

    Stichwort: Südamerika

    Stephan: Sicherlich kulturell und naturell einer der schönsten Landstriche unserer Erde. Meine zweite Heimat!



    Break Out, 1998



    Frage: Welche Erfahrungen hast du auf Reisen gesammelt?

    Stephan: Ich mag halt Länder, die auch kulturell ’n bisschen was zu bieten haben. Oder halt eben genau das Gegenteil, die mir einfach wirklich Abgeschiedenheit bieten, dass ich einfach zu mir selbst finden kann. Und wenn das natürlich auch durch ’ne Kultur funktioniert, durch die ich noch was lernen kann und die meinen Horizont erweitert, dann find ich das natürlich umso interessanter.



    Frage: Woher kam euer Frust?

    Stephan: Das ist Langweile, dieses ganze Leben, was man vorgelebt bekommen hat, von seinen Eltern, von seinen Nachbarn. Es ist einfach diese Langeweile und dieses abgestumpfte, schwachsinnige und doppelmoralige Leben, was da geführt wurde.



    Einfach dagegen zu rebellieren, einfach zu zeigen: „Ich bin anders. Ich weiß zwar nicht, wie ich bin, aber so will ich nicht sein“. Du bist zu jung um dir wirklich sagen zu können: „Wer bist du? Was tust du?“, das sind Sachen, die wirst du im Laufe deines Lebens herausfinden, aber damals konntest du das alles gar nicht lokalisieren und gar nicht irgendwie benennen. Das war einfach nur: Du wusstest was du nicht wolltest, und das war schon mal wichtig – und alles andere, was dagegen war, das fandest du geil!




    Frage: Wie ist es passiert, dass ihr von der Punk-Szene zur Skin-Szene gekommen seid?

    Gonzo: Beim Punk ist die Rebellion verloren gegangen, ist zum Kommerz geworden, und da bist du halt automatisch wieder rausgekommen, da hast du keinen Bock drauf gehabt und hast gesagt: „Was machen wir jetzt?“. Ich mein‘, dass die Skin-Bewegung halt zufällig grade aus England rübergeschwappt ist, das war ’n Zufall, das hätt‘ auch was anderes sein können, was anderes rebellisches. Also, man musste jedenfalls wieder gegen das Establishment, das den Punk vereinnahmt hat, aufstehen und musste denen wieder zeigen: „Nee, mit uns nicht“.

    Stephan: Ja, wir mussten einen draufsetzen. Im Endeffekt war’s so, dass logischerweise im Nachhinein die Skinheadbewegung ja genauso ’ne Uniformierung ist.

    Kevin: Logisch!

    Stephan: Vielleicht sogar noch ’ne krassere. Aber das hast du in dem Moment halt nicht gecheckt. […] Es war auch vorher gar nicht politisch motiviert, sondern es war einfach auch ’ne Mode und wieder ein anderer Ausdruck nochmal auf den Punk, und noch aggressiver, noch härter, das wolltest du sein.

    Gonzo: Aber ich finde, bei uns hat sich da unheimlich schnell ’ne gedankliche Entwicklung aufgetan, dass wir gesehen haben, wie limitiert wir in dieser Szene eigentlich auch sind, und das wollten wir natürlich auch nicht. Klar, du bist irgendwo rausgekommen, wo du eingeklemmt und eingeengt warst, aber du wolltest dich persönlich entwickeln, du wolltest raus. […]



    Und das war eigentlich auch genau der selbe Grund, warum wir aus der Skinhead-Szene wieder raus sind, weil wie in jeder Szene gab’s da auch vorgeschriebene Regeln und Verhaltensmuster, und umso schlauer du wirst, umso weniger kannst du dann damit anfangen und umso mehr grenzt du dich davon ab. Und das war eigentlich ein Schritt, der zumindest jetzt mal im Kopf – ich mein‘ jetzt noch nicht mal im Ausdruck, von den Klamotten her oder so – aber zumindest im Kopf hat sich diese Erkenntnis schnell bei uns breit gemacht. Aber es ist jetzt auch nicht so, dass du als Jugendlicher da drüber nachdenkst, sondern du wächst dann einfach raus aus der ganzen Sache.

    Pe: Du merkst es eher als du’s weißt.

    Stephan: Ich glaub, dass natürlich hinter jeder Uniform und hinter jedem Verstecken in ’ner Gruppe immer auch ’n bisschen Lebensangst und Zweifel oder…

    Pe: …Halt suchen.



    Stephan: Ja, ’n Halt suchen, das ist das was du in dem Alter halt irgendwo auch tust. Nur wenn du älter wirst, dann sollte man schon auch verlangen können, dass man dann auch merkt, wie sehr man sich da limitiert, wie sehr man seine eigene Persönlichkeit verliert in so ’ner Gruppe. Und das hat irgendwann einfach nicht mehr zusammengepasst – man wollte weiter, man wollte voran gehen und man wurde im Prinzip unnötig belastet durch diese Gruppe. Und das ging einfach nicht mehr für die Entwicklung.



    Gonzo: Das hängt natürlich auch immer von der Persönlichkeit von einem selbst ab, es gibt bestimmt Leute, die fühlen sich in so ’ner Gruppe mit vorgefassten Regeln und Verhaltensmustern wohl, die wollen gar nix anderes, sondern die fühlen sich dann da heimisch und finden’s gut, in ihrer kleinen, abgegrenzten Welt zu leben. Aber das war genau das, was wir, zum Beispiel jetzt auch als Musiker, überhaupt nicht nicht gebrauchen konnten, also wir konnten uns weder auf ’ne Musik limitieren lassen, noch auf ’n bestimmtes Verhaltensmuster.

    Frage: Ein Song hängt euch wie ein Stigma an: „Türken raus“. Wie ist der Song entstanden und worauf bezieht er sich?

    Stephan: Wir sind alle in Gegenden groß geworden, die einen sehr großen Ausländeranteil hatten, und da haben halt sehr schnell Auseinandersetzungen mit ausländischen Gangs stattgefunden. Einmal hat der dem auf die Fresse gehauen und dann ging’s da eben umgekehrt ab. Der Song, der ist geschrieben worden, da waren wir 17 Jahre alt, und die meisten Leute kennen ja nicht mal den Text, weil der Text ist ja so an den Haaren herbeigezogen, so schwachsinnig, dass man eigentlich dadran schon hätte erkennen müssen, dass da kein politisches Kalkül dahinter ist. Im Prinzip war’s einfach wirklich nur ’ne ganze plumpe Herausschreierei von ’nem Frust. Klar, man hat halt in dem Moment vielleicht seine eigene Unfähigkeit an ’nem andern Volk abgewälzt.



    Im Prinzip total schwachsinnig, aber wir waren nicht politisch motiviert in dem Sinne, dass wir damit verfolgt hätten, ’ne Rassenreinheit oder so Sachen, die halt im Dritten Reich propagiert worden sind. Also, uns ging’s nicht um Nationalsozialismus, sondern uns ging’s einfach nur um diese Konfrontation und dass man die halt einfach nicht mehr länger haben wollte.



    Frage: Ihr müsst euch seit diesem Song gefallen lassen, in die rechte Ecke gestellt zu werden. Wie lebt es sich mit diesem Rechtfertigungsdrang?

    Stephan: Es gibt schon mal Situationen, da rechtfertigt man sich gerne. […]



    Wichtig war für uns auch, uns zu äußern, nachdem wir ja so krass mit diesen Ausschreitungen in Rostock und Mölln ’92 in einen Topf geschmissen worden sind. Und da haben wir gesagt: „Okay, jetzt können wir einfach nicht mehr dazu schweigen, wir müssen uns äußern, dass auch unsere Fans in erster Linie wissen, dass wir uns mit solchen Sachen nicht solidarisieren wollen, sondern im Gegenteil, wir wollen uns da ausgrenzen, wir wollen sagen: „Mit so ’nem Schwachsinn haben wir nichts am Hut und wir sympathisieren auch nicht mit solchen Leuten““, und ich glaub, das ham‘ wir getan, das ham‘ wir sogar zum Teil schon fast über die Schmerzgrenze hinaus getan. [Die Medien wollen das nicht kapieren, obwohl sie auch eine gewisse Verantwortung haben].



    Sie werfen uns vor, dass wir unsere Verantwortung als Jugendliche nicht erkannt haben, aber diese Leute sind 40, 45 Jahre alt und die spielen bewusst mit dem Feuer, was wir damals nicht getan haben.



    Frage: Warum nennt ihr euch in einem Song [„[Link]Hier sind die Onkelz“] „Kopfverdreher“?

    Stephan: Kopfverdreher in dem Sinne, dass man versucht, Leute zu selbstständig denkenden Menschen zu erziehen.



    Frage: Wann ging bei euch das Umdenken los?

    Stephan: Ich weiß nicht, ob man das an ’ner Zeit festmachen kann, das is‘ ’n Prozess des Älterwerdens, des Reiferwerdens, und einfach Dinge zu erkennen. Das kann man von ’nem jungen Menschen nicht erwarten, auch wenn er sich tausend Mal einbildet, dass er die Weisheit mit Löffeln gefressen hat, aber das ist einfach nicht der Fall. Das lernt man einfach erst im Alter und das ist ’ne Entwicklung und man kann’s auch nicht an Hand eines Beispieles oder eines Momentes irgendwie ergründen, sondern das ist einfach ’n Prozess, der sich einschleicht.



    Frage: Wie haben ausländische Freunde dein Leben beeinflusst?

    Stephan: Ja, schon sehr. Ich denk mal, ’n Freund oder ’ne Freundin sollte einen immer irgendwie beeinflussen, ’ne Beziehung sollte immer auch ’n Austausch sein. Ob das jetzt ’ne Ausländerin oder ’ne Deutsche oder was auch immer ist, das spielt ’ne untergeordnete Rolle, der Mensch ist letztendlich das was zählt. […] Von daher gesehen würde ich jetzt das mit den Ausländern gar nicht so überbewerten. Das ist schon ’ne wichtige Erfahrung gewesen, aber ich denk mal, das kann man auch durch Reisen erzielen, dass man einfach sich mit anderen Kulturen, mit anderen Menschen auseinandersetzt und dafür auch natürlich darüber hinaus ein bisschen mehr Verständnis dafür hat, warum jemand beispielsweise mit den Fingern isst.



    Frage: Warum wolltet ihr 1992 bei „Rock gegen rechts“ spielen?

    Stephan: Man hat uns gefragt, ob wir nicht Lust hätten zu spielen. Wir hatten das für eine sehr gute Idee gehalten, das zu tun, grade zu der damaligen Zeit, da Stellung zu beziehen. Weil ich glaube, das hätte viel mehr bewirkt als diese ganzen Schwachmaten von Maffay über Lindenberg oder sonst irgendwas, die sich da eh nur noch ’n bisschen repräsentieren müssen oder sich selbst auch ’n bisschen in der Öffentlichkeit zur Schau stellen müssen, sondern ich glaub, wir hätten da wirklich was bewirkt. Aber man hat’s einfach versäumt, die Gelegenheit beim Schopf zu packen.



    Das ist aber nicht unser Problem, das ist im Prinzip das Problem der Macher dieses Konzertes. Die sollten sich einfach nochmal fragen, ob sie damit richtig gelegen haben, mit der Entscheidung.



    Frage: Ihr wurdet von vielen aufgefordert, euren Namen zu ändern.

    Stephan: Diese Aufforderung allein, dass jemand den Gedanken haben kann, jemanden aufzufordern, seinen Namen zu ändern um damit seine Vergangenheit ungeschehen zu machen, ist so an den Haaren herbeigezogen und so fernab von der Wirklichkeit, dass ich einfach jemanden, der sowas vorschlägt, für ’nen absoluten Vollidioten halten muss. Du kannst deine Vergangenheit nur aufarbeiten, du kannst sie nicht ändern indem du ’nen Namen, ein Synonym oder was auch immer ablegst.



    Entweder veränderst du dich oder du tust es nicht – aber deinen Namen zu ändern, um damit den Anschein zu erwecken, du hättest dich vielleicht verändert, da denke ich überhaupt gar nicht drüber nach, wer sowas vorschlägt hat keine Eier und hat keine Moral und keinen Verstand.



    Frage: Wofür steht der Name „Böhse Onkelz“?

    Stephan: Der Name steht für ’ne positive Wandlung, der Name steht für Provokation, für Rebellion, aber nicht für Ausgrenzung.



    Radio Electronic Press Kit, 1998



    Stephan: Da wo ich herkomme, war es ganz normal, sich mit einem Türken zu prügeln. Das ist gewalttätig, aber nicht radikal.



    Pirmasenser Zeitung, 1998



    Stephan: Okay, das nächste Stück handelt um Leute, von denen wir der Meinung sind, dass wenn sie’s nötig haben, ihre politische Meinung mit Gewalt oder Denunzierung durchsetzen zu müssen, absoluter Fuck sind. Und um genau diese Idioten handelt dieses Lied: „[Link]Ohne mich“!



    Konzert Wiener Neustadt, 1998



    Stephan: Das Lied, das wir jetzt spielen, heißt „[Link]Ohne mich“, und hier geht es um politische Extreme im Allgemeinen. Und wir wollen damit zum Ausdruck bringen, dass wir weder Sympathien haben für Linksextremisten, noch für Rechtsextremisten.



    Konzert Schwerin, 1998



    Frage: Gab es einen konkreten Anlass zu dem Lied „Ohne mich“, oder ist das Thema einfach so verarbeitet worden?

    Stephan: Wir machen ja nun schon längere Jahre mit der Antifa rum. Und sie haben sich auch in letzter Zeit wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert, indem sie in die Welt gesetzt haben, wir würden auf unseren Konzerten altes oder rechtsradikales Material spielen, würden es aber selbst nicht singen, sondern unser Publikum. Die Presse hat das aufgegriffen und als Wahrheit weitergeben.



    Das geht einem natürlich tierisch auf den Sender und ich verstehe auch nicht, dass man so etwas nötig hat. Ich glaube, dass ihre Feinde ganz woanders sind, das sind garantiert nicht wir. Sie sollten sich um die Leute kümmern, gegen die es wirklich zu kämpfen gilt.



    Frage: Trotz eindeutiger Ansagen werdet ihr euer Fascho-Potential nicht ganz los. Wie erklärt ihr euch, dass diese Leute nach wie vor auf euren Konzerten präsent sind?

    Stephan: Glücklicherweise können wir festhalten, dass das ein verschwindend geringer Teil ist. Ich gebe dir natürlich Recht, dass diese Leute auf den Plan gerufen werden. Genau erklären kann ich es mir nicht – ich denke, wir haben uns mehr als einmal klar zu diesem Thema geäußert und Stellung bezogen. Ich glaube, dem letzten Idioten ist klar, dass wir mit solchen Sachen nicht konform gehen.



    Nichtsdestotrotz kannst du den Leuten, solange sie sich nicht eindeutig als Rechte zu erkennen geben, sprich durch Embleme, T-Shirts oder auch den Hitlergruß, ja nicht sagen: „Du bist ein Fascho“. Wir kennen die Leute ja nicht. Wir müssen darauf achten, dass solche Leute, die sich erkenntlich machen, nicht reingelassen werden.

    Frage: Ist es wahr, dass du mal von der Bühne gesprungen bist und Leute vermöbelt hast?

    Stephan: Es gibt natürlich Leute, die es auch irrsinnig drauf anlegen. Die stellen sich vorne hin und machen den Hitlergruß. Das ist auf dieser Tour und der letzten kaum mehr passiert. Aber da geht mir natürlich der Kittel durch. Ich bin also mehrfach mal ins Publikum gegangen und hab mich mit den Leuten…



    Frage: Davon wird in der Presse nichts berichtet.

    Stephan: Logisch. Da haben die doch kein Interesse dran. Es gilt hier nach wie vor, das Image der Band aufrechtzuerhalten, denn das liefert Schlagzeilen. Etwas Gegenteiliges zu behaupten oder auch nur wiederzugeben, würde eine Schlagzeile verderben. Selbst wenn ein einzelner Journalist das gerne machen würde, ist spätestens beim Redakteur Stopp.



    Hempels Straßenmagazin, 1998



    Gonzo: Ich denke mal, dass es auch ’ne große Rolle spielt, dass die Fans mit unserem Background, also wo wir herkommen, den Weg, den wir als Onkelz gegangen sind, dass die damit viel anfangen können. […]



    Es ist nichts gestellt oder irgendwas geschauspielert, sondern es ist passiert, wie’s passiert ist, und diesen Background haben wir nie verleugnet, oder ham‘ nie versucht, ’n anderen zu schaffen um den Leuten irgendwas vorzumachen.



    Pe: Weil wir halt erst im Dreck angefangen haben damals, das ist die Zeit, die man uns übelst nachsagt, und wir sind weiter emporgezogen. Also wir haben uns zum Besseren gewandt, und die können’s nachvollziehen, dass wir aus der Scheiße ins Licht gekommen sind.



    ARD, „Böhse Onkelz – Gute Onkels – Eine Band, ihre Fans und ein Tabu“, 1998



    Frage: Mola Adebisi von Viva hat erörtert, dass ihr wohl deswegen kein Video zu „Terpentin“ habt, weil ihr…

    Stephan: …weil wir lieber Brauner Peter spielen. Jaja, das habe ich auch mitbekommen. Tolle Sache. Ich weiß aber nicht mal, was ein brauner Peter sein soll.



    Frage: Geht es dir nicht auf die Nerven, dass du bei Interviews immer überlegen musst: „Aufpassen, was sag ich hier“, um nicht wieder in eine bestimmte Ecke gestellt zu werden?

    Stephan: Ich muss mich eigentlich nicht besonders verstellen. Wenn ich was zu sagen habe, dann sage ich es und wenn ich über etwas lieber nicht reden möchte, dann lasse ich es. Es fällt mir nicht schwer, es langweilt mich nur manchmal, bestimmte Fragen zum 150sten Mal zu beantworten, aber ich muss mich nicht verstellen. […]



    Wir nehmen uns heraus, viele Leute vor der Tür stehen zu lassen, weil sie gezeigt haben, dass sie es nicht wert sind, dass man sich mit ihnen unterhält. Und das nicht einmal, sondern mehrfach, denn jeder Mensch hat eigentlich ’ne zweite Chance verdient.



    Stichwort: Bundeskanzler werden

    Stephan: In die Politik treibt es uns nicht so, weil wir nicht verlogen genug sind.



    Bodystyler, 1998

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