Distanzierungen 1996

  • 1996

    Frage: Habt ihr euch ganz von der rechten Szene distanziert?

    Stephan: Wir waren noch nie in der rechten Szene. Es heißt immer, wenn du Skinhead bist, bist du gleich der rechten Szene zugehörig. Natürlich ist es aufgrund dessen, was in all den letzten Jahren vorgefallen ist, sehr leicht möglich, das zu denken. Von daher nehme ich es den Leuten nicht übel, wenn sie mit diesem Argument kommen. Aber nur aufgrund dessen, dass wir mal ein paar Äußerungen gemacht haben und einer gewissen Szene zugehörig waren – ich rede jetzt von der Skinheadszene – die damals nicht gleich rechts bedeutete, werden wir als rechts abgestempelt.



    Deister- und Weserzeitung, 1996



    Stichwort: Fehler in der Vergangenheit

    Stephan: Ich frage mich manchmal, wie viel Scheiß diese Leute selbst mal in ihrer Jugend gebaut haben. Sie haben nur keine Lieder geschrieben, die auf Tonträgern festgehalten wurden. Wir versuchen ja, offen damit umzugehen, indem wir sagen: „Klar, so und so sah das aus, wir stehen dazu. Wir stehen aber auch zu der Veränderung, die wir seither durchgemacht haben“.



    Ich muss doch auch einem Typ, der im Knast war, die Möglichkeit geben, sich zu resozialisieren. Das kann ja ein guter Mensch sein, der in einem Anfall geistiger Umnachtung sonstwas gemacht hat. Damit will ich nicht alles entschuldigen, so ist das nicht. Ich habe aber auch aus den Fehlern, die wir damals gemacht haben, eine Menge gelernt. Gerade von linker Seite wird immer so getan, als hätten sie die Moral für sich gepachtet, als wären sie auf der richtigen Seite – und vom rein theoretischen Aspekt her will ich denen ja gar nicht Unrecht geben, denn mir ist Faschismus absolut zuwider, und ihn zu bekämpfen ist eine absolut wichtige Sache. Dann aber mit faschistischen Mitteln zu kämpfen, das lehne ich ab.



    Feedback, 1996



    Stephan: Wir spielen dieses Lied nicht, um für ’ne beschissene rechtsradikale Plattenfirma wie Rock-o-Rama Werbung zu machen, sondern wir spielen das Lied, weil wir denken, dass in der Zeit von Kindermördern und Päderasten dieses Lied aktueller ist denn je. […] „Der nette Mann„!



    Konzert Hannover, 1996



    Stephan: Ich will keine Hand zum „Sieg Heil“ hochgehen sehen!



    Konzert Wiener Neustadt, 1996



    Gonzo: [Ein Journalist beruft sich „nur auf seriöse Quellen“, zu denen] unter anderem auch das ultrarechte Fanzine „Moderne Zeiten“ gehört. So, so. […] Der Autor schiebt uns in seinem Machwerk doch tatsächlich eine ultrarechte Gesinnung unter. Dass dem nicht so ist, beziehungsweise war, ist jedem von euch bekannt, und sicher auch ihm. […]



    Um so […] ärgerlicher ist es, von so einem Idioten mal wieder als Nazi bezeichnet zu werden. […] Der absolute Hammer ist aber der Vergleich von „[Link]Bomberpilot“ mit dem Nazipropagandastück „Bomben auf Engelland“. Damit hat Matthias Kruse wohl einen absoluten geistigen Tiefstand erreicht. […] Leider sind hier auch mal wieder die Anwälte gefragt. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist noch nicht gesprochen.



    B.O.S.C. Fanzine, 1996



    Stephan: Ich empfinde es nicht gerade als angenehm, mit irgendwelchen hirnrissigen Rechtsradikalen in einen Topf geschmissen zu werden. Das wünscht sich niemand. Uns wäre weitaus wohler, wenn man uns so begegnen würde, wie anderen Rockbands auch. Aufgrund unserer Historie dürfen wir uns aber nicht wundern, wenn wir weiterhin mit diesem Dogma behaftet sind.



    Unbekannte Quelle, 1996



    Onkelz: Trenne dich von allem / Es ist gar nicht so schwer / Von deinen Vorurteilen sowieso / Sie sind am wenigsten wert



    Song „Nichts ist so hart wie das Leben„, 1996



    Frage: Wo möchtest du am liebsten leben?

    Stephan: Das ist leicht zu beantworten: Auf meinem kleinen Stückchen Land in Zentralamerika.



    Frage: Hältst du es für wichtig, dich zu politischen Themen zu äußern?

    Stephan: Ja, eigentlich halte ich das schon für wichtig. Es kommt natürlich aufs Thema an, aber prinzipiell denke ich, dass man als jemand, der in der Öffentlichkeit steht, ’ne besondere Verantwortung hat, und die sollte man auch nutzen.



    Frage: Bist du für die Legalisierung von Marihuana?

    Stephan: Ich bin grundsätzlich dafür. Wenn der Konsum von Alkohol legal ist, sollte das auch bei Marihuana der Fall sein – denn Marihuana ist weitaus unschädlicher als Alkohol.



    Frage: Für welches öffentliche Amt würdest du kandidieren?

    Stephan: In politischer Hinsicht hätte ich da keinerlei Ambitionen.



    Frage: Welche musikalischen Stilrichtungen magst du überhaupt nicht?

    Stephan: Volksmusik und Schlager – weil ich mir vorkomme, als würd‘ ich ’ne alte Nazisendung sehen, wenn sowas im Fernsehen läuft.



    Frage: Wie würdest du einem Außerirdischen die Vorzüge der Erde schmackhaft machen?

    Stephan: Ich würd‘ ihn ins beste italienische Restaurant führen das ich kenne und ihm die neue Onkelz vorspielen. Damit dürfte er dann sämtliche Vorzüge kennen.



    Rock Hard, 1996



    Frage: Dubiose Republikaner-Parties, wo ohne euer Wissen mit dem Namen Böhse Onkelz geworben wird, sind hoffentlich Einzelfälle, oder?

    Stephan: Ja, zum Glück. Sowas ärgert uns natürlich, aber man kann wenig dagegen tun. Im rechten Untergrund wird unser Name immer noch missbraucht, und wir hatten erst kürzlich wieder eine bandinterne Diskussion, wo’s um dieses Thema ging.



    Wir haben schon das Gefühl, da noch mehr machen zu müssen, denn scheinbar lassen wir irgendwelchen rechten Vollidioten immer noch genügend Freiräume. Die finden immer noch Nischen, die es ihnen ermöglichen, Songtexte oder Aussagen von uns für sich auszulegen. Du wirst diese Idioten einfach nicht komplett los.



    Frage: Bei euren letzten beiden Konzerten in Dortmund gab es offensichtlich Versuche von rechter Seite, das Ganze zu unterwandern. Vieles spielte sich außerhalb der Halle ab: Pöbeleien, Parolen, der übliche Scheiß halt.

    Stephan: Wir wissen, dass es immer noch Leute gibt, die uns politisieren und für sich auszunutzen versuchen. Ein ganz bestimmter Wichser aus der rechten Szene macht uns zum Beispiel immer wieder Ärger und brüstet sich sogar damit, demnächst eine Biographie über uns schreiben zu wollen. Du kannst leider niemanden verbieten, über dich zu schreiben – du kannst lediglich den Inhalt oder den Rahmen, in dem etwas auftaucht, anfechten. Und wenn wir was tun können, leiten wir natürlich entsprechende Schritte ein.



    Frage: Inwieweit betrifft dich sowas überhaupt? Hakst du das für dich ab, weil du wenig dagegen tun kannst?

    Stephan: Solche Sachen sind mir bestimmt nicht egal – aber ich kann auch nicht die Verantwortung für alle Vollidioten dieser Welt übernehmen! Terror in U-Bahnen oder Ähnliches gibt’s nach anderen Rockkonzerten auch – und was willst du als Musiker dagegen unternehmen? Wir haben uns ständig zu diesem Thema geäußert, wir haben’s lang und breit jedem erklärt, und mittlerweile müsste auch der letzte Depp kapiert haben, dass die Onkelz nicht mit irgendwelchen Faschos sympathisieren.



    Wir machen das auf unseren Konzerten sehr deutlich und werfen Nazis raus, wenn sie uns irgendwie auffallen, aber es ist unterm Strich ’ne Minderheit, und zwar ’ne verschwindend geringe, davon bin ich überzeugt. Natürlich treten solche Minderheiten am provokantesten auf und deshalb hinterlassen sie überall supernegative Eindrücke. Dabei wird leider oft vergessen, dass vorher zwei Stunden lang ein geiles Konzert abgelaufen ist, wo 95 Prozent der Leute in Ordnung gewesen sind.



    Frage: Aber ihr liefert den restlichen fünf Prozent einen gewissen Nährboden, wenn ihr zum Beispiel „Bomberpilot“ spielt, aber dafür nicht „Deutschland im Herbst“ oder „Worte der Freiheit„. Ich weiß natürlich, dass „Bomberpilot“ an sich ein politisch wertfreier Song ist, und du hast ja eine entsprechende Ansage dazu gemacht, aber „Deutschland im Herbst“ hätte ein klares Zeichen gesetzt.

    Stephan: Dass irgendwelche Hohlköpfe ein Stück wie „Bomberpilot“ für sich interpretieren oder falsch verstehen, dafür kann ich nichts. Und dass wir „Deutschland im Herbst“ nicht gespielt haben, liegt einfach daran, dass die Produktion zu aufwendig ist. Das kann man mit einer Gitarre ohne Keyboard oder Samples live kaum spielen. Das ist der einzige Grund.



    Da gibt’s noch 20 andere Lieder, die ich gerne spielen würde, zum Beispiel auch „Worte der Freiheit“, die sich von der Struktur her aber einfach nicht für Konzerte eignen.



    Frage: Ihr habt ja auf der letzten Tour erstmals auch im Osten gespielt. Welche Erfahrungen habt ihr da gemacht?

    Stephan: Ziemlich durchwachsene. Das örtliche Publikum beim ersten Konzert war völlig okay, aber es waren Fascho-Glatzen aus Berlin da, die irgendwie in die Halle gekommen sind und da natürlich extrem negativ auffielen. Fast hätten wir das Konzert vorzeitig abbrechen müssen. Wir haben die Faschos dann rausgeschmissen, wobei die Sache etwas eskaliert ist. Aber das Publikum hat von sich aus „Nazis raus“ gerufen, als die Chaoten aus der Halle befördert wurden.



    Rock Hard, 1996



    Stephan: Licht aufs Publikum bitte! Ich sag euch was, Leute: Wenn ich noch einmal von euch Hohlköpfen die Hand zum „Sieg Heil“ hochgehen sehe, gibt’s eins auf die Fresse! Gewalt ist bei denen die einzige Sprache, die sie verstehen.

    […]

    Stephan: So, jetzt reicht’s, die fliegen raus! Ich möchte hier mal klar sagen, dass das Konzert kein Podium für irgendwelche Politik ist. Ich weiß nicht, was sich die Idioten hier denken. Die haben es wohl noch immer nicht geschnallt. Ist ja zum Kotzen!



    Konzert Innsbruck, 1996



    Onkelz: Wer rückwärts gesprochene, satanistische oder faschistische Botschaften auf unseren Platten sucht, muss ausgesprochen dämlich sein und außerdem unter extremem Verfolgungswahn leiden.



    Song „Enie Tfachstob rüf Ediona-Rap„, 1996



    Onkelz: Ich ging auf schmalen Pfaden / Bewegte mich auf dünnem Eis / Ich ging dahin, wo es weh tut / Nichts war mir zu heiß / Es war schon immer ein besonderer Kick, Verbotenes zu tun / Gesetze sind zum Brechen da / Dachte ich und gab meinen Senf dazu / Ich stand in Flammen / Nichts war mir zu extrem / […] / Was man nicht durfte, reizte mich noch mehr / Am Rande der Gesellschaft lebt sich’s unbeschwert / Übermut tut selten gut / Heute weiß ich was das heißt / Damals war’s mir scheißegal / Also zahlte ich, zahlte ich den Preis / […] / Alles war so leicht / Nur ich wusste nicht mal was / Irgendwas trieb mich voran / Manchmal Liebe, manchmal Hass



    Song „Flammen„, 1996



    Stephan: Doch dann erschien dieses Ärzte-Stück mit der Zeile: „Zwischen Kuschelrock und Störkraft steht ’ne Onkelz-CD“. Das hat mich ziemlich geärgert, weil ich von Musikern, die auch durchaus die Tagespresse verfolgen, einen höheren Informationsstand erwarte. Ich werde in einem Satz mit Störkraft genannt und das kann ich doch nicht auf mir sitzen lassen. Egal, wie das Lied an sich gemeint ist.

    Gonzo: Wir wissen, wo wir herkommen, haben unsere Konsequenzen gezogen und mit der Zeit dazugelernt.

    Stephan: Die Onkelz sind einfach nur Menschen und machen Fehler, ohne einem anderen auf die Maße zu treten – das heißt, wir drängen niemanden an den Rand oder zählen ihn an. […]



    Die Gewalt kam von allen Richtungen, in der Schule, in den Trabantenstädten, in denen ich gewohnt habe. Wenn du ständig eins aufs Maul bekommst, fängst du an, dich zu wehren und setzt vielleicht manchmal deine Kräfte falsch ein. Du vergisst, dich auf deine Psyche zu konzentrieren. Wir waren wahrlich keine Engel. Das ging ziemlich weit – so weit, dass wir froh sein können, dass wir nicht in der Kiste sitzen. Irgendwann erkannten wir, dass wir in einer Sackgasse waren. […] Wir fordern die Fans immer wieder auf, nicht hinter irgendwelchen Parolen herzulaufen, sondern sich selbst erstmal zu finden. […]



    Jeder versucht, uns politisch auszuschlachten. Jeder macht mit uns Politik. Das ist doch totaler Schwachsinn. Auf jedem Konzert, auch auf unseren, gibt es Idioten. Du kannst uns keinen Vorwurf mehr machen. Du hast aber Recht, die meisten sagen: „Okay, die Onkelz sind nicht mehr rechtsradikal. Nein, es sind ihre Fans“. Du kannst nur mit Ignoranz reagieren. Niemand kann sagen, dass zu unseren Konzerten 90 Prozent Nazis stiefeln. […]



    Glücklicherweise konnten wir bisher alle nicht autorisierten Veröffentlichungen wie die von Metal Enterprise-Nowotny stoppen. Wir scheißen auf das Geld das wir bei solchen Geschichten verlieren. Dabei geht es vielmehr um moralische Fragen. Wir haben keine Lust, mit Kahlkopf auf einem Label zu erscheinen oder auf irgendwelchen höchst dubiosen Samplern aufzutauchen. Das ist moralisch total verwerflich, weil Nowotny weiß, wo wir stehen. Das ist nicht nur für uns geschäftsschädigend. […]



    Skunk Anansie wären [als Vorband] auch toll – doch dann würden die Medien sagen: „Jetzt haben sie wieder eine Vorzeige-Schwarze dabei“, ähnlich wie bei The Stroke.



    Rock Hard, 1996

Teilen