Distanzierungen 1995

  • 1995

    Frage: Haben die Onkelz auch heute noch Schwierigkeiten?

    Stephan: Die gibt’s definitiv und zwar auch noch recht massiv. Es hat längst noch nicht jeder kapiert, dass die Onkelz mit dem was ihnen nachgesagt wird nichts mehr zu tun haben, oder nichts zu tun gehabt haben. Es dauert wahrscheinlich noch, bis das auch dem Letzten irgendwie klar wird.



    Frage: Schlechte Presse ist ja auch eine Presse, oder?

    Stephan: Ja, grundsätzlich gebe ich dir da Recht. Aber wenn Negativität rechtsradikale Vorwürfe bedeutet, dann können wir da sehr gut drauf verzichten.



    Radio M1, „Rockline“, 1995



    Onkelz: Hier sind neue Schweinereien von dem Feindbild Nummer eins / Ihr solltet uns belohnen / Sonst hättet ihr keins / Ja, wir bringen dieses Land dem Tod ein Stückchen näher / Wir sind geistige Verführer / Kopfverdreher



    Song „Hier sind die Onkelz„, 1995



    Onkelz: Ich starre auf mein Bild und lese in mir selbst / Aus dem Legendenbuch, aus meiner Welt / Ich wusste nicht, wohin ich ging / Nicht mal wo ich war / Wie ein Schiff ohne Ruder / Nichts war klar



    Song „Das Problem bist du„, 1995



    Frage: Hattet ihr auf der diesjährigen Tour eigentlich noch Ärger mit Rechtsradikalen?

    Stephan: Ärger gab es so bei jedem zweiten, dritten Konzert. Da fielen versprenkelt ein paar Leute auf. Die wurden dann der Halle verwiesen. Wer sich schon vorher als Nazi zu erkennen gab, kam natürlich gar nicht erst rein. Ich weiß auch nicht, was in deren Köpfen vor sich ging, aber wer seine Tarnkappe runterließ, flog aus der Halle.



    Metal Hammer, 1995



    Frage: Viele wissen bis heute nicht, wodurch die Onkelz seinerzeit ins Kreuzfeuer der Kritik geraten sind. Wie seht ihr selbst das?

    Stephan: Nun, wir haben Anfang der Achtziger Jahre als Punkband zwei Titel aufgenommen, die ausländerfeindliche Texte hatten. Die sind allerdings nie auf Platte erschienen, sondern haben nur als Demoband existiert. Zwischenzeitlich haben wir insgesamt neun Alben veröffentlicht, die Altlast Mitte der Achtziger auch in der deutschen Presse aufgearbeitet und dachten, wir wären damit aus dem Schneider. Als dann einige Jahre später die ausländerfeindlichen Krawalle losgingen, hat die Presse einfach die alten Titel genommen und in die Neunziger Jahre transportiert. Dass sich die Band um 180 Grad gewandelt hat und sich für die Jugendsünden mehrmals öffentlich entschuldigte, interessierte von da an keinen mehr.



    Tiroler Tageszeitung, 1995



    Stichwort: Vergangenheit

    Pe: 99,99 Prozent [der Fans] wissen, dass an dem Nazischwachsinn nichts dran ist.



    B.O.S.C. Fanzine, 1995



    Stichwort: Konzert Bremen 1994

    Gonzo: Am Abend befinden sich einige rechte Spinner im Publikum, die aber von der Security „freundlich“ hinausbefördert wurden.

    Stichwort: Konzert Karlsruhe 1994

    Gonzo: Buttersäure wurde in der Nacht vor dem Konzert in die Halle geschüttet. Rechte oder Linke? Auf alle Fälle Idioten.

    Stichwort: Konzert Minden 1994

    Gonzo: Es gibt mal wieder Ärger mit einigen Skins, die erst aus der Halle fliegen und dann draußen randalieren wollen, aber nicht dazu kommen (!). […] Der DGB hatte einen Stand in der Halle und ist begeistert von unseren Fans.

    Stichwort: Konzert Linz 1994

    Gonzo: Ein paar Idioten mussten mal wieder aus der Halle entfernt werden.



    B.O.S.C. Fanzine, 1995



    Gonzo: Vielleicht gelingt’s uns in Zukunft, dass die Onkelz nicht automatisch in einen Topf mit Rechtsradikalismus geworfen werden.



    Break Out, 1995



    Stephan: Ein Stück, was ich aus der Motivation raus geschrieben hab, weil ich glaube, dass hier doch einige fehlgeleitete Leute rumlaufen, die sich an falschen Dingen orientieren. Und das sollte euch vielleicht ermutigen, die Wahrheit in euch zu finden: „Finde die Wahrheit„!

    […]

    Stephan: Okay, mal ganz kurz: Wenn sich hier einer dazu berufen fühlt, hier irgendwelche schwarz-weiß-roten Fahnen zu schwenken, dann ist der hier ruck-zuck aus der Halle draußen – ist das klar, du Nazischwein?

    […]

    Stephan: Okay, das ist ein Lied an die, die hoffentlich ’ne Menge dazugelernt haben: „Nie wieder„.

    […]

    Stephan: „Nenn mich wie du willst“ ham‘ wir allen hirnlosen Mitläufern gewidmet, die zu dumm sind, sich eigene Gedanken zu machen und die irgendwelchen beschissenen Parolen hinterherrennen müssen. Das nächste Lied hat ’nen ähnlichen Adressaten, nämlich Leute, die für ihre eigene Faulheit und für ihre eigene Unfähigkeit andere Leute verantwortlich machen. […] „Wer nichts wagt kann nichts verlieren„.



    Konzert Hannover, 1995



    Kevin: Wir finden alle Extreme, egal ob links oder rechts, verabscheuungswürdig. Die tun mir einfach nur Leid, sorry!



    Konzert Northeim, 1995



    Stephan: Da gibt’s nix zu beschönigen: Wir waren ausländerfeindlich. Aber das hat nichts mit Politik zu tun. Wir haben von Türken was auf die Fresse bekommen, die haben von uns eins auf die Fresse bekommen, wir haben unsere Wut rausgesungen. Irgendwann ist es müßig, sich 13 Jahre für diese kindische Scheiße von damals zu rechtfertigen. Und ich find’s beschissen, in einem Atemzug mir diesen kranken Solinger Idioten genannt zu werden.



    stern, 1995



    Stichwort: „Türken raus“ und „Deutschland den Deutschen“

    Stephan: Diese Songs waren, ich will das gar nicht beschönigen, ausländerfeindlich. Die Motivation, die Songs zu schreiben, hatte allerdings nichts damit zu tun, dass wir nationalsozialistische Ideologien vertreten haben. Es war wirklich nur eine Reflexion der Schwierigkeiten, die wir im Zusammenleben auf der Straße mit Ausländern hatten. Sprich: mit ausländischen Jugendgangs. Diese Gangs waren meiner Meinung nach mindestens genauso kriminell wie wir es waren. Die waren keinen Deut besser und genauso feindlich uns gegenüber eingestellt wie umgekehrt. Das war keine hohe Politik, sondern persönliche Erfahrungen vor der eigenen Haustür.



    Wenn ich die Songs heute gemacht hätte, würde ich die Sache auch komplett anders sehen und hätte für die ganze Aufregung vollstes Verständnis. Wenn man, nach allem, was in Mölln, Solingen, Rostock und sonstwo passiert ist, heute solch einen Text schreiben würde, hätte ich dafür kein Verständnis und würde wahrscheinlich auch meine Konsequenzen daraus ziehen. Ich weiß, wie viel Gewalt wir damals damit provoziert haben, aber ich weiß auch, wie viel Gewalt von anderen provoziert wurde. Ich will gar nicht sagen: Wir waren die Besseren und die anderen die Bösen.



    Im Grunde genommen waren wir beide scheiße. […] Ich will zeigen, wie sich ein Leben positiv verändern kann. Ich spüre die Verantwortung für unsere Fans, die die Texte sehr genau lesen. […] Ich mache auch heute noch Fehler. Wer kann von sich behaupten, dass er keine macht? Aber ich lerne daraus und mache bestimmte Fehler hoffentlich nur einmal in meinem Leben.



    Metal Hammer, 1995



    Onkelz: Wir haben […] schlimme Fehler gemacht. Wir stehen aber dazu und wollen zeigen, dass es ein Irrweg war.



    Süddeutsche Zeitung, 1995



    Stichwort: „Danke für nichts“

    Stephan: Die Kritik geht nicht in Richtung der Musik-Fachzeitschriften, […] sondern in Richtung der Tagespresse und der Stadtmagazine. Die treten nach wie vor blind und ignorant auf irgendwas rum, was gar nicht mehr zu rechtfertigen ist.

    Stichwort: „Ich mache, was ich will“

    Stephan: Es kommt nicht drauf an, was andere über dich denken. Jeder muss seine eigene Wahrheit finden und die des anderen akzeptieren, auch wenn sie einem vielleicht nicht passt. Man sollte an sich glauben und selbst herausfinden, was richtig oder falsch ist, statt blind irgendwelche Parolen nachzubrüllen. Man muss sich mit einem Problem auseinandersetzen bevor man’s lösen kann.



    Frage: Dieses Problem stellt sich für dich ja auch: Viele Onkelz-Fans übernehmen eure Ansichten mehr oder weniger kritiklos. Beschäftigt dich das?

    Stephan: Natürlich, aber wir fordern die Leute ja nicht auf, Parolen nachzubrüllen. Im Gegenteil: Wir sagen immer wieder, dass du selbst denken und deine eigene Wahrheit finden musst. Mich beschäftigt es viel eher, wie viele Jugendliche blind irgendwelche Nazi-Parolen nachbrüllen, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Ich weiß ja aus eigener Erfahrung, wie viel dumme Provokation dahintersteckt und weniger faschistische Überzeugung, denn so weit denken diese Leute ja meist nicht. Sowas ist gefährlich. Genauso dumm ist es, den nächsten Ausländer dafür verantwortlich zu machen, dass ich vielleicht keinen Job bekomme. Dann muss ich eben besser sein als der andere – es nützt nichts, ständig nach unten zu treten. Das Problem liegt bei mir selbst und nicht bei anderen.



    Stichwort: „Das Problem bist du“

    Stephan: Ein Stück, das sich nicht zuletzt auch um meine persönliche Vergangenheit dreht. Es hat lange gedauert, bis ich erkannt habe, dass ich derjenige bin, der mir am meisten im Weg steht. Ich hab vorher versucht, mit Aggressionen Dinge zu kompensieren. Ich musste erst lernen, mit meinen Gefühlen umzugehen.



    Frage: Gab es da irgendwelche Schlüsselerlebnisse, die dich verändert haben?

    Stephan: Das war eher ein Prozess, der sich über Jahre hinzieht. Man wacht ja nicht von einem Tag auf den anderen auf. Man merkt, dass man sich verrannt hat und muss dann erst mal nach den Ursachen suchen. Das dauert lange, und man ist gezwungen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. So gesehen war jede Schlägerei in meinem Leben ein kleines Schlüsselerlebnis für mich – und irgendwann habe ich gemerkt, dass es wohl nicht nur an den anderen liegen konnte, sondern dass ich selbst das Problem war. Irgendwann steht man vorm Spiegel und merkt, dass man vor sich selbst nicht weglaufen kann.



    Frage: Ihr seid ein Politikum und werdet es wohl auch bleiben.

    Stephan: Sicher. Ich bin kein Illusionist, und die Situation ist nach wie vor schwierig, auch wenn’s langsam besser wird. Normalisiert hat sich das Thema aber noch längst nicht, da brauchen wir uns nichts vorzumachen.



    Frage: Andererseits bringt euch das ja auch Publicity-Vorteile und hält euch im Gespräch.

    Stephan: Aber auf Publicity in dieser Richtung können wir gut verzichten. Es ist okay, wenn man sagt, wir sind ’ne kontroverse Band, sowas kann natürlich werbewirksam sein. Aber wir machen nichts aus Berechnung, sondern vertreten unsere ehrliche Einstellung. Auf dieses rechte Image, das uns ja nach wie vor gerne angeheftet wird, legen wir’s bestimmt nicht an. Im Gegenteil: Es ist alles andere als lustig, wenn man sich zehn Jahre lang für etwas rechtfertigen muss, was man gar nicht empfindet – und was man in dieser Form, in der man es uns vorwirft, auch nie empfunden hat. Ich will damit nicht die Fehler der Vergangenheit entschuldigen – aber wir nutzen sie auch nicht imagetechnisch aus.

    Frage: Wie hat sich die rechte Szene deiner Ansicht nach in den letzten Jahren entwickelt?

    Stephan: Ich beobachte den Rechtsradikalismus aus der Distanz und beziehe meine Informationen, wie du wahrscheinlich auch, hauptsächlich aus den Medien. In meinem täglichen Leben spüre ich Rechtsradikalismus nur selten, weil ich nicht in solchen Szenen verkehre. Im Grunde sind ja diejenigen, die sich zu erkennen geben, noch die harmloseren, denn sie sind leicht zu überschauen.



    Viel schlimmer sind die Nazis, die in etablierten Positionen sitzen, zum Beispiel Anwälte und Funktionäre. Das ist die eigentliche Gefahr, und die wird es immer geben. Die paar Dummköpfe, die da draußen rumlaufen und irgendwelche Aktionen starten, sind nichts anderes als Handlanger, die nicht merken, dass sie für politische Zwecke eingespannt werden. Mir hat es schon damals an der Skinheadbewegung gestunken, dass irgendwann jede Scheiß-Nazi-Partei glaubte, Skins für ihre Zwecke rekrutieren zu müssen – und damit bei einigen Vollidioten auch noch offene Türen eingerannt hat. Diese Schlägertrupps müssen endlich aufwachen und etwas für ihren Scheißgrips tun.



    Rock Hard, 1995



    Frage: Eure Texte sind sehr persönlich und authentisch.

    Stephan: Wir erzählen den Leuten nicht irgendeine Scheiße, sondern das, was wir selbst erlebt haben, egal ob es positiv oder negativ ist. Das ist das, was den Leuten an uns gefällt. […] Den Leuten irgendwas vorzuschreiben, ist der falsche Weg. Anhand meiner eigenen Geschichte möchte ich etwas loswerden, aber gleichzeitig Platz schaffen für die Phantasie der Leute, sonst besteht die Gefahr, dass man mit irgendwelchen Parolen um sich schmeißt.

    Frage: Wie steht ihr heute zu eurer Vergangenheit?

    Stephan: Unser Leben besteht nicht mehr, wie es früher mal war, aus Saufereien und Schlägereien. Heute haben wir was Besseres mit unserer Zeit anzufangen. Auf unser Publikum haben wir wenig Einfluss. Wir können und wollen nicht kontrollieren, wer sich unsere Platten kauft und wer zum Konzert kommt. Aber wir haben dem Publikum gegenüber eine besondere Verantwortung, dass vor der Bühne keine Gewalt abgeht. Keiner von uns hat Lust, für einen Haufen Rechtsradikaler zu spielen. Wer Randale macht, fliegt raus. Für die rechtsextremen Neonazis sind wir längst zu linken Verrätern geworden und das ist mir ganz Recht so.



    Badisches Tageblatt, 1995



    Frage: Können Sie rekapitulieren warum Sie Songs schrieben, die Ihnen die rechte Fan-Klientel eintrugen?

    Stephan: Diese Gefühle sind heute weit weg, aber ich weiß, woraus sie resultierten. Es hatte mit meinem Umfeld zu tun, mit meiner Jugend und Unerfahrenheit, dass man Aggressionen rauslässt und selbst Gewalt provoziert.

    Frage: Welches Umfeld ist da verantwortlich?

    Stephan: Wir blickten halt nicht über unsere Hochhaussiedlung hinaus. Wir wurden mehr oder weniger in Trabantenstädten groß, die Siedlung bestand aus zwei Dritteln Ausländern. Ich sah mich jeden Tag genötigt, mich durch irgendwelche Gangs zu prügeln. Ob die Gewalt von mir ausging oder nicht, das spielte da gar keine Rolle. Ich will nichts entschuldigen, nur erklären.



    Frage: Sie liefern den Medien zur neuen CD ein Begleitheft mit Deutungen der Texte. Wollen Sie ausschließen, dass Ihre frühere Klientel sich ihren Zuspruch auch aus heutigen Texten holt?

    Stephan: Das ist etwas weit hergegriffen. Unsere Fans waren nie hyperpolitisch. Am Anfang war die Band ja auch keine Größe, wir spielten in Jugendzentren, Bunkern, Übungskellern. Erst danach hatten wir ein größeres Publikum. Ich hatte nie das Gefühl, vor einem Haufen Rechtsradikaler zu spielen, auch wenn wir in unserer Skin-Phase einige Probleme hatten.

    Frage: Stehen heute wirklich andere Leute vor der Bühne als früher?

    Stephan: Ich kann es nicht politisch definieren. Aber früher waren es Hartgesottenere, Bikertypen, Leute in unserem Alter, die abseits der Gesellschaft standen. Heute wird das Publikum jünger, normaler.

    Frage: Schließen Sie aus, über das Faszinosum Rock früher auch rechtsradikales Gedankengut transportiert zu haben?

    Stephan: Ich kann behaupten, dass wir nie ein Interesse an Nationalsozialismus, an Parteien, an Emblemen aus der Zeit von 1933 bis 1945 hatten. Hatten wir indirekt eine politische Aussage in unseren Texten, war uns die nicht so bewusst. Was wir besungen haben, war eigentlich eine ziemlich dumme Reflexion von dem, was uns widerfahren ist. Jeder wird anders groß, hat andere Erfahrungen. Manchmal sagt man was, das man später bereuen kann. Aber diese Entwicklung muss einem zugestanden werden.

    Frage: Haben die Onkelz sich deshalb damals beworben für das „Heute die, morgen du“-Konzert in Frankfurt gegen Ausländerfeindlichkeit?

    Stephan: Das war nicht mal eine Bewerbung von uns: Wir erhielten das Angebot und sagten spontan zu. Als das die Runde machte haben einige Künstler interveniert und wir wurden wieder ausgeladen. Aber wir sehen es natürlich als unsere Verantwortung, unsere Stimme zu erheben gegen Dinge, die nicht okay sind.



    Berliner Zeitung, 1995



    Frage: Haben sich die Onkelz gewandelt, auch wenn ihr den Namen nicht geändert habt?

    Gonzo: Es hieß ja immer: „Die waren früher rechtsradikal und sollten ihren Namen ändern, um dieses Kapitel abzuschließen“. Für mich wäre eine Namensänderung auf jeden Fall ein Schuldeingeständnis. Weder waren wir früher rechtsradikal, noch waren wir für eine politische Partei unterwegs.

    Frage: Ihr wollt also nur Beispiel sein und nicht führen?

    Stephan: Kein Mensch sollte irgendjemandem folgen, man soll ja auch nicht die Schwäche anderer ausnutzen, indem man sie irgendwo hinführt und für seine Zwecke missbraucht. Das Einzige was wir zu bieten haben, ist, dass wir gnadenlos offenlegen, was in uns vorgeht und den Kids zeigen, dass sie nicht alleine sind. Wir standen mit einem Bein im Knast, wir haben genug Schlägereien gehabt, um davon reden zu können.



    Frage: Könnt ihr wenigstens Ratschläge geben?

    Stephan: Sicherlich, denn wir haben natürlich erkannt, dass nicht derjenige, mit dem wir ’ne Schlägerei hatten, daran Schuld war, dass diese Schlägerei zustande gekommen ist. Das Problem steckt oft in einem selber: Signalisiere ich Gewaltbereitschaft, werde ich auch Gewalt empfangen.



    Siegener Zeitung, 1995



    Stephan: Ich werde nicht lange genug in Deutschland bleiben, um zu mutieren, mir wird Geld nicht den Charakter verderben.



    Break Out, 1995



    Stichwort: Fehler in der Vergangenheit

    Stephan: Der Zusammenhang zwischen dem Rechtsruck 1992 und den Böhsen Onkelz war für mich immer schwer nachvollziehbar. Es ist klar, dass man damals Schuldige gesucht hat – und da waren wir natürlich ein gefundenes Fressen. […] Man darf nicht alles auf das Alter schieben und die Sache damit verharmlosen. Ich versuche gerade zu analysieren, wie weit damals meine Ausländerfeindlichkeit wirklich ging und woher sie kam.



    Trotzdem: Fakt ist, dass keiner von uns jemals in einer rechten Partei Mitglied war und wir diese Parteien niemals unterstützt haben. Wir haben niemals Embleme solcher Parteien getragen und haben auch niemals mit Hakenkreuzen kokettiert.



    Stichwort: Rechte Fans

    Stephan: Solche Leute sind bei uns in der absoluten Minderzahl. Manchmal bekommen wir Fanpost von ihnen. Denen schreiben wir immer zurück und versuchen – vor allem bei sehr jungen Leuten – herauszufinden, was dahintersteckt. Wir fragen sie, was sie sich dabei denken, ob sie überhaupt wissen, was sie da sagen, ob sie sich damit nur profilieren wollen, oder ob wirklich eine Ideologie dahintersteckt. Und wir machen ihnen auch immer unseren Standpunkt klar. […]



    Leute, die sich eindeutig in die rechte Richtung outen, sei es durch T-Shirts oder den Hitlergruß, fliegen [bei Konzerten] sofort raus. Überhaupt hat doch jeder extreme Nazi kapiert, dass wir ihm keinen Boden bieten. Klar, dass die uns jetzt als linke Verräter titulieren. Aber damit fühle ich mich wesentlich wohler, als wenn ich von denen Akzeptanz verspüren würde. […]



    Wir spielen auf der diesjährigen Tour nicht in den neuen Bundesländern, um nicht vor einem Haufen Rechtsradikaler spielen zu müssen.



    Stichwort: „Türken raus“

    Stephan: Den Song „Türken raus“ halte ich aus meiner heutigen Sicht für puren Schwachsinn. Schon damals, wenn man genau hingehört hätte, hätte man den Text gar nicht ernst nehmen können. Der Song ist 1982 entstanden. Damals waren wir noch Punks und keine Skins. In Frankfurt hatten wir uns ständig mit ausländischen Jugendgangs Schlägereien geliefert. Der Text hat nichts mit Nationalsozialismus zu tun. Es war eher ein Reflexion auf das, was uns konkret passiert ist.



    Stichwort: Rock-o-Rama

    Stephan: Als wir unterschrieben haben, war das eigentlich ein reiner Punk-Vertrieb. Richtig schlimm geworden ist das eigentlich erst nach unserer Zeit. […] Wir versuchen jetzt, auf juristischem Weg die Rechte an dem alten Material zu bekommen, um die Platten endgültig vom Markt zu nehmen.



    Stichwort: Bootlegs

    Stephan: Bootleggen ist in Ordnung, das zeigt dir, dass du berühmt bist. Aber es sind auch Bootlegs mit eindeutig faschistischer Covergestaltung dabei – braune Farbe mit Reichsadler und altdeutscher Schrift. Gegen die gehen wir so gut es geht juristisch vor.



    Stichwort: Deutschland

    Stephan: Für mich spielt es keine Rolle, in welches Land ich reingeboren wurde, und als Vegetarier habe ich nicht mal besonderen Spaß an der deutschen Küche. […] Ich kann mich mit keiner Partei so identifizieren, dass ich sie wählen könnte.



    Stichwort: Einfluss auf die Fans

    Stephan: Wenn ich den bewusst einsetze und ihnen nicht irgendwelche Parolen an den Schädel schmeiße ist das doch in Ordnung. Wenn ich versuche, ihre Fantasie anzuregen, sie zum Denken zu bewegen und ihnen nicht vorgebe, in welche Richtung sie denken sollen. Es ist doch ein Unterschied, ob ich mit diesem Einfluss ein Volk in den Krieg treibe oder ob ich versuche, sie in eine freier denkende Gesellschaft zu weisen.

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