Poitische Einstellung Onkelz

  • Textauszüge aus Danke für Nichts der Onkelz Bio von Edmund Hartsch

    Edmund Hartsch: Kein Wochenende [verging], an dem sie [= die Punks um Stephan Weidner] nicht [...] in eine schädelspaltende Keilerei mit den Bonames-Türken oder -Polen gerieten. Eure Straße - unsere Straße. Ihr gegen uns - wir gegen euch, der ganze ghettointerne, nasenblutende Humbug.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Die einzige Unterstützung [bei der Talkshow "Live aus dem Alabama"], auf die sie jedoch gerne verzichtet hätten, waren zwei wild pubertierende Jungnazis, die kameranah in der ersten Publikumsreihe saßen und niegelnagelneue Böhse Onkelz T-Shirts trugen. [...] Stephan kochte und entgegenete, dass er sich seine Fans nicht aussuchen konnte. Kevin versuchte tatsächlich die Ausländer für das verantwortlich zu machen, was in seinem Leben schief ging. Kevin hatte ein großes Problem, und das waren nicht die Ausländer. Er wusste es nur noch nicht.


    Er glaubte, dass sie es waren, weil das eine einfache Lösung war. Es war auch einfach, bei einer direkten Anfrage nach seinem Problem einen Scheingrund vorzuschieben, nämlich den, dass Ausländer seine Freundin angemacht hätten.Kevin log sich selber in die Tasche, wenn er glaubte, dass Gewalt ihn aus seiner Isolierung befreien konnte. Kevin misstraute allem Fremden, es sei denn, es ließ sich trinken.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Kevin, noch als traditioneller Skinhead gekleidet, redet sich in "Live aus dem Alabama" um Kopf und Kragen, indem er tatsächlich die Ausländer für seine persönlichen Fehler und Versäumnisse verantwortlich zu machen versucht. Stephan ist bemüht die Diskussion seriös zu gestalten, muss aber einsehen, dass es nichts bringt, als der Moderator zwei jugendliche Neonazis der Wikingjugend zu Wort kommen lässt, denen man scheinbar vor der Sendung noch bügelfrische Onkelz-T-Shirts übergezogen hat.


    Diese beiden Jugendlichen, die keine unpolitischen Skinheads, sondern rechte Scheitelträger sind, dürfen ihre Hetzparolen vortragen.

    onkelz.de, 2002


    Edmund Hartsch: Oftmals lässt Kevin sich von seinen Hamburger Freunden mitreißen und schnell wird aus der anfänglich nicht zielgerichteten Gewalt ein glühender Hass gegen alles Fremde.


    Man muss hier darauf hinweisen, dass Kevin zu diesem Zeitpunkt ein sehr leicht zu beeinflussender Mensch ist, dem es wesentlich an Selbstvertrauen und Einsicht mangelt und der der Meinung ist, dass andere Menschen an seinem zerstörten Familienhaus und an seinen persönlichen Problemen Schuld sind. Seinen Äußerungen und seinem Handeln mangelt es ebenfalls an jeglichem intellektuellem oder ideologischem Hintergrund und so reichen sie für eine Zuordnung in ein politisches Lager nicht aus. Ausländerfeindlich, brutal und gewalttätig ist er jedoch allemal, was ihm oft einen Streit mit den anderen Bandmitgliedern einbringt.

    onkelz.de, 2002


    Edmund Hartsch: Es [gab] immer einige dubiose Augenzeugen, die genau gesehen haben wollen, wie Stephan oder Kevin den Hitlergruß gemacht haben. Stephan, Pe und Gonzo hatten nur sehr selten ihren rechten Arm gestreckt, höchstens als Verarschung oder als Provokation. Sie hassten Nazisymbolik. Sie folgten niemandem außer sich selbst, und das würde sich auch in Zukunft nicht ändern.


    Sie wussten inzwischen genau, wie gefährlich diese Zeichen geworden waren. Es war ihnen verdächtig und unangenehm wenn Leute Parolen nachbrüllten ohne eine eigene Meinung zu haben, ohne darüber nachgedacht zu haben. Wie Kevin manchmal, der im Sachsenhäuserpark mit gestrecktem Arm für die Reporter vom Stern posierte. "Mach doch bitte mal einen Hitlergruß" forderten sie ihn auf, und einen Kasten Bier zahlten sie ihm dafür [...]. Aber wer Kevin wirklich kannte, wusste auch, wie scheißegal ihm das alles war.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Im August '85 in der Nähe von Lübeck, vor rund 700 Glatzen und Glatzenähnlichen, von denen man einige ganz klar dem rechten Lager zuordnen muss, lässt sich Kevin zu einer weiteren Dummheit hinreißen. Obwohl die Band den Aufforderungen, "Türken raus" oder "Deutschland den Deutschen" vom Demotape zu spielen, nicht nachkommt, tragen sie dennoch den Song "[Link]Deutschland" vom ersten Album vor. Die originale Textzeile "Deutsche Frauen, deutsches Bier - Schwarz-Rot-Gold wir stehn zu dir" wird während des Gigs von Kevin auf eigene Faust umgestaltet und er singt nun "Deutsche Frauen, deutsches Bier - Schwarz-Weiß-Rot wir stehn zu dir". Die Band ist außer sich vor Wut über diesen Alleingang und es kommt zu Spannungen innerhalb der Band.

    onkelz.de, 2002


    Edmund Hartsch: Stephans wachsendes Nationalgefühl, sein übertriebener Patriotismus und seine Gewalt waren nur die Fassade vor einer chronischen Revierangst.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Mitanzusehen, wie das, was man mitaufgebaut hatte, nach rechts abglitt, war schmerzhaft. Es gab einige Angebote von rechtsradikalen Parteien und Verbänden an die Böhsen Onkelz. Sie wurden mehrmals gebeten, gegen eine angemessene Gage auf Grillfesten und Kundgebungen zu spielen, aber jedes Mal lehnte die Band diese Anfragen einstimmig ab.


    Niemals würden sie mit Linken, Rechten, mit Scheitelträgern oder Uniformfetischisten gemeinsame Sache machen und sich vor den Karren einer Partei spannen lassen. In einer Zeit, als Konzerte rar waren [...] und ihr Einfluss auf die Glatzen groß war, weigerten sie sich, für rechte Parteien auch nur eine Note anzuschlagen.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Anfragen von rechten Parteien nach einem Auftritt der Band,waren jedes Mal unter lautem Gelächter abgesagt worden.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Eine politische Motivation steckte hinter dem ersten Vinyl der Onkelz nicht. Niemand in der Band gab etwas auf Politik.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Der anfängliche Patriotismus und die Euphorie für das Vaterland waren schnell verpufft. Stephan war inzwischen der Meinung, dass es sich nicht lohnte, auf ein Land stolz zu sein, das die Probleme seiner Jugend nicht ernst nahm. Einigkeit und Stolz waren für ihn Dinge, die nichts mehr mit nationalen Grenzen zu tun hatten. Dinge jenseits des Reisepasses.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Stephan sagte [dem Metal Hammer 1987] dass er sich auf gar keinen Fall einen Nazi schimpfen lassen wollte.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Und Stephan Weidner als Soldat war ohnehin eine absurde Vorstellung. [...] Darauf zu hoffen, dass er mit einer staatlichen Autorität kooperieren würde, war [...] aussichtslos.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Es handelt sich um ein typisch deutsches Nachkriegsmissverständnis, dass ein Wandel der Einstellung, ein Lernen und ein Fortschreiten, ein Einsehen von begangenen Fehlern mit einer Verleugnung der eigenen Person einherzugehen hat. Die Böhsen Onkelz waren immer die Böhsen Onkelz, 1980 genauso wie 1997. Wölfe im Wolfspelz, von mir aus, aber keine Nazis und auf gar keinen Fall politisch, im Gegenteil.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: 1993 würde Stephan einige der Forderungen erfüllen, die Kritiker ihm und der Band auferlegt hatten. Jedoch nicht, um diesen Leuten zu zeigen, dass sie sich fügten, sondern einzig und allein, weil die Böhsen Onkelz selber das Gefühl hatten, sich noch eindeutiger distanzieren zu müssen, von dem was passierte.


    Und um der Presse zu zeigen, dass sie sich nicht davor scheuten, unter ihrem eigenen Namen weiterhin gegen alles und jeden vorzugehen. Warum also nicht auch gegen rechts? Sie hatten nichts zu verlieren, und Nazis waren ihnen sowieso verhasst.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: "Lieber stehend sterben" war kein Lied über Skinheads oder die rechte Szene, sondern ein Lied über Widerstand, antirechts und antilinks. Und "Wir schreiben Geschichte mit unserem Blut" war nicht politisch, sondern wörtlich zu verstehen.


    Die Onkelz nahmen Schuld auf sich und bluteten stellvertretend für das Land. Die Böhsen Onkelz waren Auffanglager für die, die sich nicht ergeben wollten. Der letzte Ort der Ausgrenzung waren eben nicht links oder rechts, sondern in der Mitte, zwischen den Fronten, außerhalb des Parteigefüges.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Skinheads waren [1991 in Berlin] gewesen, von denen einige vorläufig festgenommen wurden und nur wenige bis in die Halle gelangt waren. Von einem Nazipublikum und einer Naziband zu sprechen, erfüllte den Tatbestand von Rufmord.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Als das Licht ausging, wollte er [= ein Journalist] gesehen haben, dass das letzte hintere Drittel der Fangemeinde den Arm zum Hitlergruß hob und ihn während des gesamten Konzertes nicht mehr runtergenommen habe.


    Die Band, so sagte er, habe sich nicht darum gekümmert. Höchst unwahrscheinlich, wo Stephan und Gonzo äußerst allergisch auf Hitlergrüße reagierten. Das hatte schon so mancher Fan am eigenen Leib erfahren müssen. Stephan beobachtete seine Zuschauer ganz genau.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Seit zehn Jahren ist die Band nun in der rechten Szene als Verräter, Motherfucker und linke Zecken verrufen, während die linke Szene sie als Nazischweine bezeichnet. Seit zehn Jahren weigert sich die Presse, die Bewusstwerdung der Böhsen Onkelz anzuerkennen. Eine Clownerie, die in der Musikgeschichte der Bundesrepublik ohne Beispiel ist.

    onkelz.de, 2002


    Edmund Hartsch: Eine Namensänderung wäre ein Eingeständnis von Schuld gewesen oder auch der Versuch, die Vergangenheit in Nebel zu hüllen. Das Gegenteil war der Fall. Als die große Skinheadband, die tonangebende Formation innerhalb der Szene, die sie von '83 - '85 gewesen sind, war es mutig gewesen, den Namen beizubehalten und der Szene den Rücken zuzukehren.


    Nicht ein Eingeständnis von Schuld wollte man machen, sondern ein Eingeständnis von begangenen Fehlern. [...] Was die Band selber anstrebte, war, dass der Name "Böhse Onkelz" irgendwann für "tatsächlich mögliche positive Wandlung" stehen sollte. Noch einmal: Die Böhsen Onkelz waren seit 1985 / '86 keine Glatzen mehr, und die rechtsradikale Szene hasste die Onkelz.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Die Böhsen Onkelz, die sich dazu entschlossen hatten, keine Interviews mehr zu geben, änderten ihre Meinung. Zu oft hatte man sie mit den Neonazi-Bands in einen Topf geworfen, sie mit den Gewalttaten der Rechtsradikalen in Verbindung gebracht oder sogar dafür verantwortlich gemacht. Auf gar keinen Fall würden sie diese Vorwürfe auf sich sitzen lassen.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: Dennoch empfinden die Böhsen Onkelz es als ennervierend und unverständlich, dass gerade die Öffentlichkeit, die sich zunehmend gegen rechte Gewalt zu organisieren versucht, nicht versteht, dass sie mit den Onkelz ein unglaublich wirksames Tool in der Hand haben könnte, um auf gefährdete Jugendliche einzuwirken. Gerade die Auseinandersetzung mit fremden Inhalten sind die Grundlagen demokratischer Prozesse, die in Deutschland den Jugendlichen jedoch nicht vorgelebt, sondern blanco von ihnen eingefordert werden.

    onkelz.de, 2002


    Edmund Hartsch: [Onkelz-Presseberichte wie] "Nur ein Kerngedanke: Gebt uns wieder einen Führer", "Arier on" und "Auf ungroovy Spielverderber codierter Klassenhass", das war so falsch und dumm, dass sie die Journalisten, die das geschrieben hatten, die Zeitungen mitsamt ihren Artikeln fressen lassen wollten.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997


    Edmund Hartsch: [Der Handelsboykott] kümmerte die Onkelz wenig. Wenn die Zeit reif sein würde, dann würden sie hingehen und den Handel boykottieren. Dann würden sie ihre CDs nur an die kleinen, treuen Händler verkaufen, Faschohändler und Rock-o-Rama-Sympathisanten energisch ausgeklammert.

    "böhse onkelz - danke für nichts", 1997

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