Distanzierungen 1993

  • 1993

    Onkelz: Ich sehe meine Lüge / Ich bin nicht blind geboren / Ich lerne aus meinen Fehlern / Und mache daraus ein Lied


    Song „Ich bin wie ich bin„, 1993


    Onkelz: Die Hände vor den Augen / Watte in den Ohren / Er hält lieber seinen Mund / Er ist als Mitläufer geboren / Er sagt alles das, was du sagst / Er kriecht auf allen Vieren / Hatte niemals einen Willen / Drum kann er ihn nicht verlieren


    Song „Lieber stehend sterben„, 1993


    Onkelz: Unser Leben war nicht keimfrei / Nicht von Engeln bewacht / Doch es ist ganz schön hart / Was ihr draus macht / Was glaubt ihr zu wissen / Was glaubt ihr, wer wir sind / Ihr habt jahrelang gelogen / Die Presse stinkt / Für die Blinden und die Tauben noch ein allerletztes Mal / Ihr wollt es immer noch nicht glauben / Ihr könnt’s nicht ändern / Es ist wahr


    Song „Fahrt zur Hölle„, 1993


    Onkelz: Hier ist Hass der begrenzt / Hier sind vergiftete Herzen


    Song „Erkennen Sie die Melodie„, 1993


    Onkelz: [Intro: Nachrichtenmeldung über Rostock-Lichtenhagen] / Ich sehe alle gegen alle / Jeder gegen jeden / Keine Achtung vor sich selbst / Keine Achtung vor dem Leben / Ich sehe blinden Hass, blinde Wut / Feige Morde, Kinderblut / Ich sehe braune Scheiße töten / Ich sehe dich / Deutschland im Herbst / Ich höre weiße Geräusche / Rassenreine Lieder / Ich höre hirnlose Parolen / Von Idioten und Verlierern / Ich höre die Lügen der Regierung / Die Lüge eures Lebens / Ich höre die Lügen über uns / Ich höre dich / Deutschland im Herbst


    Song „Deutschland im Herbst„, 1993


    Onkelz: Ich sehe Flüsse voller Tränen / Seen voller Leid / Meere voller Dummheit / Was ist los mit dieser Zeit / […] / Es ist nicht grad berauschend / Was ich hier seh / Ich seh, die Bullen töten Schwarze / In L.A. / Ich seh den Krieg in Jugoslawien / Den Hass in unsrem Land

    Song „Entfache dieses Feuer„, 1993


    Onkelz: Wir spielen dieses Lied für euch dort drüben / Ihr habt euch selbst besiegt / Dieses Land ist kein Vergnügen

    Song „Worte der Freiheit„, 1993


    Gonzo: Jeder hat die Pflicht, in einer Zeit, in der die Gewalt gegenüber Andersdenkenden, Ausländern oder Menschen anderer Konfessionen derart zunimmt, seine Stimme zu erheben. Die Rechten hassen uns, weil wir uns nie gescheut haben, sie darauf hinzuweisen, dass sie bei uns nichts verloren haben. Im Gegenteil, ihre politischen Ansichten stehen im Gegensatz zu unseren. Es ist jedem Onkelz-Fan bekannt, dass die Onkelz mit Rechtsradikalismus nichts zu tun haben. Rechtsradikale, sollten sich doch ein paar zu uns verirren, kommen in unsere Konzerte erst gar nicht hinein. Oder sie werden aus der Halle entfernt, sollten sie sich erst dort durch Parolen, et cetera, zu erkennen geben.


    Aschaffenburger Stadtzeitung, 1993


    Stephan: Wir sehen es einfach als unsere Pflicht an, denjenigen Fans, die mit einem Bein im rechten Lager stehen, zu zeigen, wo wir stehen: Nämlich bestimmt nicht rechts!


    Videothek, 1993


    Stephan: Mit der braunen Scheiße wollen wir nichts zu tun haben!


    Musikexpress / Sounds, 1993


    Stichwort: Rostock


    Stephan: Allein die Tatsache, dass Tausende von Normalbürgern dabeigestanden und Beifall geklatscht haben, hat die Sache für mich sehr beängstigend gemacht.


    Metal Hammer, 1993


    Stephan: Gerade wir können den Kids im rechten Lager klarmachen, dass sie Unrecht haben.


    Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 1993


    Stichwort: „Deutschland im Herbst“


    Stephan: Das ist eine Reaktion unsererseits auf die Vorfälle im letzten Herbst. Für mich ein sehr wichtiges Lied, weil wir uns ganz klar von diesen Leuten abgrenzen wollen, also deutlich machen wollen, dass wir nicht mit den Rechten sympathisieren.


    Metal Hammer, 1993


    Stephan: Ich habe genug Gewalt gehabt in meinem Leben! Keine Gewalt auf meinen Konzerten! Verpisst euch, ihr Störkraft-Wichser!


    Konzert Bremen, 1993


    Stichwort: Bruch des Interviewboykotts


    Stephan: Wir hatten uns fest vorgenommen, keine Interviews mehr zu geben – ham‘ wir auch ’n Jahr durchgezogen. Nachdem aber diese ganzen Vorfälle, also siehe Rostock, Mölln, et cetera, die ganzen Dinge mit denen man uns in Verbindung gebracht hat, passiert sind, mussten wir einfach Stellung beziehen, wir mussten uns einfach ganz klar zu diesen Vorwürfen äußern, wir mussten einfach an die Öffentlichkeit gehen und einfach klipp und klar sagen, dass wir damit nichts zu tun haben wollen und mit solchen Leuten nicht in einen Topf geschmissen werden wollen, und uns davon distanzieren und einfach unseren Standpunkt deutlicher klar machen.


    Frage: Nach Rostock und Mölln wurde über rechtsradikale Bands gesprochen, und es hieß: „Sie nennen sich Störkraft, Endstufe, Böhse Onkelz“. Ist euch da irgendwo der Kragen geplatzt?


    Stephan: Ja, das ist natürlich ein Grund. Zum anderen einfach auch unser moralisches Empfinden, einfach unser moralisches Bedürfnis, uns zu diesen ganzen Vorfällen zu äußern, einfach klipp und klar zu sagen: „Hier, passt mal auf, Leute, wir ham‘ damit nix zu tun“, einfach auch unseren Fans ganz deutlich zu verstehen zu geben, wo wir politisch stehen, und dass wir diese Dinge einfach total ablehnen.


    Frage: Wo steht ihr denn politisch?


    Stephan: Nicht rechts.


    Frage: Auch nicht links?


    Stephan: Ich will mich jetzt hier nicht wieder irgendwo anders festlegen. Vielleicht steh ich eher dort als dort, aber ich denk, das tut nichts zur Sache.


    Stichwort: Diffamierung der Onkelz


    Stephan: Fakt ist einfach, dass wirklich Politiker ihre Hände in Unschuld reiben indem sie dann sagen: „Guckt mal, bei uns könnte Rostock oder Mölln nicht passieren, weil wir verbieten ja dieses Feindbild Böhse Onkelz“. Ich mein‘, die machen sich’s relativ einfach, indem sie einfach ihre Versäumnisse auf dem Rücken einer Band austragen, die letztendlich zwar hier und dort Scheiße gebaut hat, was aber mit der jetzigen politischen Situation gar nix zu tun hat, weil das liegt meilenweit zurück.


    Frage: Wann bist du es Leid, dich immer wieder zu eurer Vergangenheit zu äußern?


    Stephan: Ich bin es eigentlich schon Leid, und wie gesagt: Wäre nicht diese besondere politische Situation, die wir momentan haben, würde ich mich zu dem Thema auch nicht mehr äußern, weil ich denke, über unsere Vergangenheit wurde eigentlich alles gesagt, und es gibt dadrüber hinaus nicht mehr zu sagen. Ich leb auch längst nicht mehr in meiner Vergangenheit, sondern ich leb in der Gegenwart, und genau das ist der Punkt, worauf wir, die Böhsen Onkelz, reagieren, auf die momentane politische Situation. Das ist der Grund, warum wir uns äußern, auch politisch äußern.


    Stichwort: Einfluss auf die Fans


    Stephan: Die Leute sollten erkennen, für was „Böhse Onkelz“ eigentlich noch gut ist, sie sollten eigentlich erkennen, dass wir vielleicht noch ’nen Teil von Leuten erreichen, die kein Politiker mehr erreicht, kein Sozialarbeiter und vielleicht auch keine andere deutsche Band. Und genau das sollte man vielleicht irgendwie positiv ausnutzen, nämlich den Leuten ein Beispiel zu sein, zu sagen: „Leute, passt mal auf, wir ham‘ da vor soundsovielen Jahren Scheiße gebaut, macht nicht die gleiche Scheiße wieder!“, und einfach die Leute, die mit einem Bein vielleicht im rechten Lager stehen oder vielleicht auch nur… – Das fängt ja an mit einfachen Äußerungen wie „Deutschland den Deutschen“ oder sonst irgendwas an, die man hier und dort nicht überbewerten darf, aber die irgendwie ständig vorhanden sind – und den Leuten einfach zeigt: Es ist kein Zeichen von Männlichkeit oder sonst irgendwas, mit solchen Parolen um sich zu schmeißen.


    Frage: Du hast mal gesagt, es wird nie ein Konzert unter einem politischen Motto geben. Jetzt gibt es von euch, das war in Bamberg geplant, dieses „Rock gegen rechts“, was aber trotzdem verboten wurde. In wie weit hat sich das gewandelt, dass ihr sowas jetzt doch macht, und wie weit würdet ihr gehen?


    Stephan: Das kommt immer darauf an, erstens auf das Motto, ich würde bestimmt nicht unter jedem Motto spielen. Es ist für mich auch ein moralisches Problem, dieses „gegen, gegen“ und „raus, raus, raus“, was ich ständig höre, hier „Nazis raus“, da „Ausländer raus“, ich mein‘, bald sind sie alle draußen und dann haben wir überhaupt keine mehr, mit denen wir reden können, mit denen wir uns auseinandersetzen können, auf irgendeine Art. Also das Motto muss schon irgendwo für mich vertretbar sein. Ich hab hier und dort schon Probleme, auch vor allen Dingen unter Parteien zu spielen, weil ich ganz einfach weiß, wie dieses System irgendwie bei den Leuten auch funktioniert, und ich bin auch nicht unbedingt ein Freund der Politik, und auch kein Freund der etablierten Parteien, und auch anderer Parteien nicht. Aber da geht’s ganz einfach drum: Das was dabei rauskommt ist letztendlich entscheidend, das was man erreichen kann. Mit wem ist letztendlich egal, in der momentanen Situation. Es müssen einfach gewisse Dinge getan werden, und auch unsere Band muss ’ne Menge tun, und dann isses eigentlich legitim, finde ich, unter ’nem Motto zu spielen, für Parteien zu spielen, ganz einfach. Weil, es zählt nur das, was dabei rauskommt.


    Frage: Und ob das mit deiner Überzeugung übereinstimmt?


    Stephan: Ja, natürlich! Für ’ne SPD zu spielen, damit kann ich mich eher identifizieren als damit, für die Republikaner zu spielen, ist ja ganz klar, logisch.


    Frage: Ich habe dich als jemanden kennen gelernt, der das Multikulturelle fördern will. Wäre es da nicht ein Weg, ein Onkelz-Konzert dafür zu nutzen, indem man vielleicht auch eine ausländische Band dazuholt?


    Stephan: Also, wir haben sowas in der Art geplant, für den Sommer diesen Jahres, und hoffentlich in Frankfurt […]. Und dort würd‘ ich gerne einfach sowas in dieser Konzeption stattfinden lassen, mit vielleicht ’ner türkischen Band, mit ’ner indischen Band, sonst irgendwas in der Art. Das muss natürlich auf ’ne Art zusammenpassen, also muss musikalisch irgendwie schon relativ konform gehen. Oder einfach, dass es auch nur Stände sind, dass du ausländische Speisen zu dir nehmen kannst. Oder sonst irgendwas, in irgendeiner Art sowas Größeres. Was jetzt genau dort passiert kann ich nicht sagen, aber sowas in der Art ist geplant.


    Stichwort: Möglichkeiten der Onkelz, gegen den Faschismus anzukämpfen


    Stephan: Einfach den Einfluss, den wir auf unsere Fans haben, die Identifikation mit uns, die wirklich sehr, sehr stark ist, positiv umsetzen. […] Einfach auch den Leuten den Spiegel vors Gesicht halten, einfach auch mal klar machen, dass die tätowierten Glatzen, oder auch tätowierte, besoffene Langhaarige, die ersten wären, die wegfliegen würden, wenn’s hier nochmal ’n Richtigen gäbe wie im Dritten Reich. Und einfach den Leuten mal vor Augen zu führen, was eigentlich Sache ist, und dass sie einfach ihr eigener Meister sein sollen, nicht irgendwelchen blinden Parolen hinterherlaufen sollen.


    Stichwort: Stephan kein Menschenfreund


    Stephan: Grundsätzlich bin ich natürlich kein Menschenfeind in dem Sinne. Ich bin einfach nur entsetzt, immer wieder zu sehen, zu was wir Menschen einfach in der Lage sind. […] Guck dir an, was auf der Welt passiert, das ist schon ziemlich ekelhaft: Kindesmisshandlung, Kriege, et cetera, et cetera. […] Ich würde mich freuen, wenn die Menschen ein bisschen anders wären, aber das sind sie leider nicht, und daher kommen so Äußerungen von mir: „Ich bin kein großer Menschenfreund“. Das hat aber nichts mit Rassen zu tun oder sonst irgendwas, sondern es ist einfach: Grundsätzlich glaube ich, dass bei uns Menschen was nicht stimmt. Und ich bin halt der Meinung, dass wenn wir was verändern wollen, und grade in der heutigen Zeit sollte was verändert werden, dann sollte jeder bei sich selbst anfangen.


    Fragen: Wenn man das Thema „Gegen rechts“ nochmal anspricht: Es gibt natürlich auch Musiker, die das auf der linksradikalen Welle machen, nach dem Motto „Lasst die Glatzen platzen“. Kannst du dich mit solchen Sachen identifizieren?


    Stephan: Also damit könnte ich mich überhaupt gar nicht identifizieren und ich find das genauso ablehnenswürdig wie’s auf der anderen Seite der Fall ist. Also ich für mich hab einfach erkannt: Ich hab definitiv genug Gewalt ausgeübt und genug Gewalt empfangen um zu wissen, dass Gewalt kein Mittel ist. Dass wir damit einfach ’n Feuer schüren, was niemand mehr kontrollieren kann. Also ’ne Argumentation wie: „Tötet die, macht die…“ – das ist nichts anderes, das läuft auf das selbe hinaus. Und das kann keine Argumentation sein, das kann nicht die Lösung unseres Problems sein.


    Frage: In welcher Form hast du Gewalt ausgeteilt oder Gewalt empfangen?


    Stephan: Ich glaub, da brauchen wir jetzt nicht so groß darauf einzugehen, ich mein‘, ich will hier keine Werbung für Gewalt machen, auch nicht für die Gewalt, die ich früher ausgeübt hab oder empfangen hab. Ich mein‘, das ist einfach Gewalt die auf der Straße abgeht, die dir tagtäglich widerfährt.


    Frage: War das auch eine politisierte Gewalt?


    Stephan: Weniger.


    Frage: Nicht? Also nicht, dass man jetzt denkt: „Der hat sicherlich irgendwelche Türken verhauen“.


    Stephan: Ich hab bestimmt ’n paar Türken verhauen und ’n paar Türken ham‘ mich verhauen. Das hat aber keine politische Motivation gehabt, sondern das war einfach Gangverhalten.


    Frage: Dann gibt es Songs wie „Türken raus“. Da gab es auch eine Entwicklung zu diesem Song, die nicht gerade aus einer rechtsextremen Sicht entstanden ist.


    Stephan: Ich will jetzt nicht viel entschuldigen, was damals passiert ist, vor zwölf Jahren oder so. Zu dem Lied wär‘ einmal zu sagen: Das Lied hat ja ’ne ziemlich primitive Aussage irgendwo und ist auch ein ziemlich primitives Lied, und ist ja auch nie veröffentlicht worden, außer jetzt zum Beispiel auf Bootlegs oder sowas. Es ist zumindest nicht offiziell von uns veröffentlicht worden.

    Es war so, dass wir damals, Anfang der Achtziger Jahre, Punks gewesen sind und ziemlich harte Probleme hatten, in Frankfurt, mit ausländischen Jugendgangs, mit Türkengangs, und wir ständig mehr oder weniger die Fresse voll bekommen haben, und dass das einfach halt eine Reflexion dessen war, was wir damals erlebt hatten, dass wir einfach unseren Hass oder unsere Wut einfach rausgeschrieen haben, ohne uns groß Gedanken zu machen. Wer hat auch schon damit gerechnet, dass wir irgendwann mal so im Mittelpunkt stehen, oder so in der Öffentlichkeit stehen, wie wir’s heute tun? Du bist dir einfach halt in diesen Jahren deiner Verantwortung nicht bewusst. Und vor allen Dingen, wozu ja viele Medien neigen, einfach diese Zeit, die ’ne ganz andere war, in die heutige Zeit zu projizieren, das halt‘ ich einfach für falsch, weil das hat einfach ganz andere Hintergründe gehabt.


    Frage: Es gab ’87 einen Song, der hieß „Erinnerungen„. War das für euch persönlich so ein bisschen der Abschluss mit der vergangenen Zeit?


    Stephan: Ich glaube, dass das schon etwas früher stattgefunden hat. Aber das läuft schon dadrauf hinaus, ja.


    Frage: Also dann zu sagen: „Okay, es war eine schöne Zeit, aber es ist irgendwie vorbei“…


    Stephan: Ja, was heißt „’ne schöne Zeit“? Jede Zeit, die du irgendwie erlebt hast, macht dich zu dem, was du heute bist, irgendwie. Wenn du deine Erfahrungen irgendwie heute positiv auswerten kannst und auch deine Fehler einfach erkennst und sie abstellen kannst, dann war ’ne Zeit für dich nützlich, ganz einfach, weil du den Fehler nicht nochmal machst.


    Stichwort: Diffamierung der Onkelz


    Stephan: Ich komm mir natürlich auch dann und wann mal vor wie so ’n reinkarnierter Adolf Hitler, wenn ich immer die ganzen Vorwürfe irgendwie hör, was ich schon alles gemacht hab und was nicht schon alles passiert ist. Das steht alles in keinem Verhältnis zu dem, was wirklich war, diese ganze Front, die da gegen uns aufgebaut wurde.


    Frage: Darf ich dich mit ein paar Sachen konfrontieren, die ich über die Onkelz so höre, die du dann kommentierst?


    Stephan: Gerne.


    Frage: Dass du der Vorzeige-Onkel bist, der immer in die Interviews geschickt wird, und dass andere Mitglieder der Band doch noch andere Gesinnungen haben.


    Stephan: Fakt ist ganz einfach: Ich bin nunmal derjenige, der musikalisch am aktivsten ist, der wohl auch was die Hintergrundarbeit betrifft der Aktivste ist. Das heißt, ich hab einfach das meiste Wissen. Ich kann mich vielleicht auch ’n bisschen besser artikulieren als die anderen, so ham‘ wir uns einfach entschieden: Okay, mach ich das. Es war auch einfach ’ne Entwicklungsgeschichte. Zu behaupten, ich wär‘ dann natürlich der gemäßigte Onkel und die anderen sind ungefähr noch die Rechtsradikalen, ist absoluter Schwachsinn, weil ich glaub, kein Rechtsradikaler würde das was ich mache akzeptieren, mit Sicherheit nicht. Wenn ich rede, rede ich für alle vier, und ich kann besten Gewissens sagen, dass die Onkelz der gleichen Meinung sind.


    Frage: Ein weiterer Vorwurf ist, dass „Wir ham‘ noch lange nicht genug“ und „Heilige Lieder“ in den Grundfarben Schwarz-Rot-Gold gehalten sind.


    Stephan: Das ist alles so ’ne Scheiße, das ist sagenhaft. Also erstmal: Wenn es denn so wäre, dass das mit Absicht geschehen wäre, dann sind Schwarz-Rot-Gold die Farben der Demokratie und nicht des Faschismus. Zum anderen ist es purer Zufall – bei der letzten LP war’s die Grafikerin, die den Schriftzug da irgendwie mit Schwarz-Rot-Gold… – Mir ist das auch erst aufgefallen als ich das gehört hab, ich hab da vorher noch nie dran gedacht.


    Frage: „Noreia“ soll rückwärts „Arier on“ heißen – aber wenn man das Ganze rückwärts liest kommt das garantiert nicht dabei raus.


    Stephan: Nee, aber es war zumindest für ein Gericht ’ne Begründung, ein Urteil zu sprechen und uns ’n Konzert zu verbieten. […] Auf jeden Fall muss man sich schon ganz schön ’n Mist aus den Fingern saugen.


    Stichwort: Religionen und Gewalt


    Stephan: Ich reise viel, also ich reise auch viel durch Dritte-Welt-Länder, und werde auch viel mit Religion konfrontiert. […] Ich glaub nicht unbedingt, dass Religion das Problem ist, weil wenn man wirklich seine Religion lebt, […] dann gäbe es diese Gewalt ja nicht, weil Religionen sind ja in der Regel, zumindest von der Aussage her, gewaltfrei. Ich glaube einfach, […] dass das Problem der Mensch an sich ist, und dass er einfach immer nur Gründe braucht, irgendwas zum Vorschieben braucht, um seine Aggressionen auszuleben. Ich glaub einfach, dass wir sie nicht mehr alle haben.


    Stichwort: Spiegel vors Gesicht halten


    Stephan: Wenn du was verändern willst: Fang bei dir selbst an! Das is‘ ’ne Sache, die ich bei mir gemacht hab, und genauso möcht‘ ich auch die anderen Leute zum Nachdenken anregen, und einfach auch den Spiegel vors Gesicht halten, genauso wie ich ihn mir tagtäglich vors Gesicht halte.


    Frage: Was werden wir auf dem schwarzen und weißen Album aus textlicher Hinsicht zu hören bekommen?


    Stephan: Es werden bestimmt ein, zwei Lieder drauf sein, die auch eindeutig ’ne politische Aussage haben, und zwar ohne dumpfe Parolen loszulassen, sondern einfach auch um den Leuten zu sagen: „Hier, das ist unser Standpunkt. Überlegt mal, seid ihr auf dem richtigen Weg oder seid ihr irgendwo fehlgeleitet?“. Es wird mit Sicherheit ein Reggae-Stück drauf sein, endlich mal. Ich liebe Dub und Reggae.


    Frage: Es wird also keine Parolen geben, aber dafür Äußerungen wo ihr politisch steht. Wie werden die ungefähr aussehen?


    Stephan: Fakt ist einfach: Das, was Leute verlangen, interessiert uns überhaupt gar nicht. Wir tun das, was wir für unsere Pflicht halten, ganz einfach was aus unseren Herzen rauskommt, und nicht was Leute von uns verlangen. Es wird einfach dadrauf hinauslaufen: […] Ich hab gewisse Dinge, die mich beschäftigt haben, jetzt grad in dieser Zeit, und über die werde ich Lieder schreiben.


    Frage: Werden Leute, die politisch eher rechts stehen, in erster Linie eine vors Gesicht kriegen?


    Stephan: Ja, es wird bestimmt hier und dort einigen Leuten nicht passen, sowohl der einen Seite wie der anderen.


    Stichwort: „Nenn mich wie du willst“


    Stephan: Das ist einfach ein Lied gegen diese ganzen Mitläufer, einfach gegen dieses hirnlose Hinterherlaufen.


    Radio Bremen, „Wild Side“, 1993


    Frage: Warum seid ihr in diese Sendung [Thema „Zu viel Hass im Wilden Süden“] gekommen?


    Stephan: Ich denk, dass die momentane Situation uns einfach dazu zwingt, uns zu gewissen Dingen zu äußern.


    Frage: Es sind ja nicht nur die Journalisten am schlechten Image schuld, es sind ja auch eure alten Fans, die Szene, die im Grunde an euch festhält.


    Stephan: Ich seh das zwar ein bisschen anders, ich glaub zwar schon, dass ’ne kleine Minderheit von den Leuten, über die wir heute wohl des Öfteren reden werden, immer noch zu unseren Konzerten kommt oder auch unsere Platten kauft.


    Stichwort: Fehler in der Vergangenheit


    Stephan: Wir ham‘ Scheiße gebaut, das wissen wir selbst am besten. Ganz klar, dass man so Lieder wie „Deutschland [den Deutschen]“ oder auch „Türken raus“, was zwar nie veröffentlicht worden ist, aber was uns ja doch immer wieder vorgehalten wird, was man natürlich als absolut ausländerfeindlich beschreiben muss, aber […] wir dürfen eins nie vergessen: Dass dieses Lied oder diese Sache elf Jahre zurück liegt […], und dass man heute versucht, Lieder auf die heutige Zeit zu projizieren, die mit dem was heute passiert eigentlich nix mehr zu tun haben.


    Frage: Warum ist dann euer rechtsradikales Image in der Szene so resistent?


    Gonzo: In der Szene ist unser Image nicht mehr resistent! Du hättest mal besser recherchieren sollen, die Fanzeitschriften durchgucken, dann hättest du vielleicht ’88 festgestellt, oder vielleicht schon ’n bisschen früher, dass wir in den Zeitschriften als Verräter abgestempelt werden.


    Frage: Aber trotzdem von aktuellen Bands, die in diesem Genre Musik machen, immer noch als die Helden verehrt werdet.


    Stephan: Die Onkelz die es damals gab sind vielleicht nicht mehr identisch mit den Onkelz die es heute gibt. Ich mein‘, man muss auch sagen, dass diese Skins, oder dieser harte Kern, wirklich einfach nur diese alten Stücke hört, die neuen Sachen nicht mehr. Und darauf haben wir natürlich keinen Einfluss, wir können den Leuten nicht verbieten, diese Sachen – die sind nunmal passiert, ich kann’s nicht mehr rückgängig machen, obwohl ich das ganz gerne tun würde. Aber es ist halt eben nicht mehr möglich.


    Frage: Warum begegnet ihr den Leuten nicht in der Sprache, die eigentlich Onkelz-Sprache ist? Warum heißt es nicht: „Wenn ihr sowas singt, dann seid ihr Arschlöcher!“? Das hört man nicht von euch.


    Stephan: Also doch, ich glaube schon, dass man’s hört. Also pass mal auf, wenn du in der letzten Zeit Konzerte von uns verfolgt hättest, dann hätten wir diesen kleinen Teil von unserem Publikum…


    Frage: Habt ihr welche gegeben?


    Stephan: Wir haben im September eine Tour hinter uns gebracht und da habe ich mich auch ganz eindeutig zu den Vorfällen in Rostock, zu Skins, et cetera, und was ich dadrüber denke vor meine eigenen Fans gestellt. Ihr dürft nicht nur das übernehmen, was die Presse schreibt, sondern ich denk, dass wir uns schon eindeutig geäußert haben.


    Gonzo: Also, es ist nicht so, dass wir das erst seit gestern machen, oder seitdem diese ganze Gewalttätigkeit und Ausländerhetze hochgekommen ist. Wir haben selber Freunde, die Ausländer sind, wir haben selber ’nen Ausländer in der Band.


    Frage: Was macht ihr denn selber noch, um da rauszukommen?


    Stephan: Wir sitzen zum Beispiel hier, und ich war vorher in diversen anderen Talkshows. Es wird uns auch ziemlich schwierig gemacht, einfach Medien zu finden. Erstmal sind nicht viele gewillt, uns zu Wort kommen zu lassen, weil’s natürlich auch sehr einfach ist, uns in dieser Ecke gedrängt zu halten. Und wir sind jetzt auch dabei […] Dinge zu tun, die auch direkt gegen diese Gewalt die momentan stattfindet, was bewirken. Weil ich denke halt, dass wir doch einen Teil von den Leuten ansprechen, die kein Journalist anspricht oder die auch viele andere Leute nicht ansprechen, und ich denke, dass wir Brücken schlagen sollten, diese Leute an einen Tisch zu bringen und dass wir vielleicht einfach erstmal reden.


    Frage: Ein Benefizkonzert der Onkelz zugunsten der Brandanschlagsopfer muss her.


    Gonzo: Auf diese Idee sind wir schon längst gekommen! Leider verdanken wir es Leuten wie Ihnen [= Konzertveranstalter und Kritiker], dass sowas für uns nicht durchführbar ist.


    Stephan: Also wir hätten schon längst Gelder von einem Konzert, wenn sie denn stattgefunden hätten… – die sind leider alle abgesagt worden.


    Frage: Die Onkelz hatten einen Charterfolg mit den „Heiligen Liedern“ bis zu Platz Nummer 5.


    Stephan: Und das haben wir bestimmt nicht zu verdanken weil unsere Fans alles Rechtsradikale sind, sondern ich denk, dass wir mittlerweile auch ’ne Band geworden sind die ’n gewisses Potential hat. […] Es ist auch so, wir ham‘ uns zum Beispiel mit dem Daniel Cohn-Bendit zusammengesetzt und ham‘ uns überlegt was wir machen. Es wird was geschehen, in nächster Zeit. […] Ich weiß, dass wir Kacke gemacht haben, verdammt nochmal, aber man muss uns doch einfach die Möglichkeit geben, zu sagen: „Hier, wir ham‘ das erkannt. Wir sind diesen Weg gegangen, der war, wie soll ich sagen…“.


    Frage: Dann annonciert doch, dass die Einnahmen eures nächsten Konzertes zugunsten von Opfern von Brandanschlägen gehen. Ich glaube nicht, dass dann Leute da sein werden, die das zu verhindern versuchen.


    Gonzo: Ja, damit haben wir überhaupt kein Problem.


    Stephan: Ich kann Ihnen ein Beispiel sagen: Wir sind angefragt worden, von den Veranstaltern von „Rock gegen rechts“, ob wir dort spielen würden. Wir haben spontan zugesagt, dadraufhin haben andere Künstler, wie Udo Lindenberg und Peter Maffay, ihre Zusage an dem Konzert abgesagt – und dadraufhin haben sie uns wieder gecancelt.


    Frage: Solange nichts offiziell geschieht, sind das alles Lippenbekenntnisse. Es müssen Taten folgen, dann werden sich andere Künstler auch nicht mehr weigern.


    Stephan: Wenn man uns erst gar nicht die Gelegenheit gibt! Sie widersprechen sich doch selbst!


    Gonzo: Wir werden einfach die Taten, die wir vorhaben in dieser Richtung, vollziehen. Ob Sie das gut finden oder nicht, das interessiert mich einfach nicht. Es ist einfach wichtig, in dieser Zeit was zu tun!


    Frage: Es ist naiv zu glauben, dass man mit der Vergangenheit so ohne Weiteres abschließen kann. Ein Freund der Mölln-Attentäter wurde gefragt, was sie denn so gemacht haben: „Böhse Onkelz und sowas gehört“. Natürlich kommt das immer und immer wieder.


    Stephan: Natürlich, aber wir können nicht mehr wie uns zu diesen ganzen Sachen äußern, wir können nicht mehr wie solche Sachen verurteilen, wir können nicht mehr wie Leute, die sich eindeutig mit Parolen schmücken, in unsere Konzerte nicht reinlassen. Wir kämpfen ’nen ganz kleinen Krieg für uns, wir tun was – so isses nicht.


    Frage: Normalerweise, wenn auf politischer Ebene sowas passiert, muss einer zurücktreten. Ich meine, die Konsequenz wäre ja…


    Gonzo: Das seh ich nicht so. Im Gegenteil. Ich mein‘, es sind jetzt viele Leute hier in Deutschland unterwegs, die von irgendwelchen idiotischen Ideen den Kopf verdreht bekommen haben, und bei uns war’s ja auch mal so. Wir ham‘ uns geändert und wir wollen den Leuten sagen: „Leute, verdammt nochmal, lasst den Scheiß, ändert euch auch“! Die können ja auch nicht alle abtreten, oder was sollen die machen?


    Stephan: Ich glaub, was über uns kursiert, hat ein Bild geschaffen, was nicht wahr ist, ganz einfach. Natürlich haben wir uns das selbst zuzuschreiben, das wissen wir, eben durch diese Vergangenheit.


    Stichwort: Verantwortung übernehmen


    Gonzo: Dadurch, dass wir hier sitzen und unseren Namen nicht geändert haben, übernehmen wir Verantwortung. Oder meinen Sie vielleicht, wir würden uns hier hinsetzen, wenn wir die Ober-Neonazis wären, und würden sagen: „Oh, es tut uns Leid, es tut uns wirklich alles Leid“? Im Gegenteil! Wir versuchen ja, den Leuten zu zeigen, dass ’n Wandel möglich ist!


    Stephan: Wir wollen eben versuchen, auch ’n Beispiel zu sein, indem wir auch dazu stehen, indem wir aufzeigen: „Hier, das waren wir, aber jetzt sind wir hier“!


    Gonzo: Den Namen zu ändern wäre verdammt einfach, dann könnte man nämlich machen was man will und ändert einfach seinen Namen und macht weiter als wäre nichts gewesen!


    Frage: Habt ihr vielleicht einfach eure Chance verbockt? Es ist einfach so, dass euch das immer wieder einholen wird.


    Stephan: Wir möchten gerne ’ne Brücke schlagen, eben diese Leute an einen Tisch bringen, dass diese verdammte Scheiß-Gewalt, die momentan hier abgeht, einfach aufhört. Wir versuchen einfach, Brücken zu schlagen, und das lässt man uns nicht.


    Frage: Ich denke, dass das alles ein bisschen spät kommt, was ihr da vorhabt.


    Gonzo: Also, wenn ich mir heute anguck, was hier los ist, kann ich nur sagen: Lieber spät als nie!


    Stichwort: Onkelz sind rechte Band


    Stephan: Ich mein‘, wer heute noch zu den Onkelz sagt: „Das ist ’ne Faschoband“, der muss entweder blind oder taub sein! […] Ich streit nicht ab, dass diese Tendenz dagewesen ist, hab ich nie getan.


    Südwestfunk, „Na und?“, 1993


    Stichwort: Reisen


    Stephan: Ich habe meine Freizeit schon immer damit verbracht zu reisen, und ich spiel schon lange mit dem Gedanken, endgültig auszuwandern. Ich hab mir ein Stück Land in Mittelamerika gekauft und überlege gerade, wie ich mich da niederlassen kann. Ich hab die Nase jedenfalls erstmal voll und muss mich für ein paar Monate ausklinken.


    Stichwort: Rock gegen rechts, Bremen 1993


    Stephan: Die Sache war für uns schon sehr, sehr wichtig. Wir haben ja quasi die ganze Veranstaltung, auch die Ausstellung zum Thema Fremdenhass vor dem Konzert, finanziert, weil wir auf unsere Gage verzichtet haben und die Leute letztendlich wegen uns gekommen sind. Wir wollen ein Zeichen setzen – vor allem auch um gewissen Fans aus der rechten Ecke zu zeigen, dass wir absolut keine Sympathie mehr für sie haben. Da war ja erst in eurer letzten Ausgabe wieder ein Leserbrief von so einem Spinner, der immer noch nichts begriffen hat. Solchen Leuten wollten wir klipp und klar zeigen wo wir stehen. Andererseits wollten wir der Öffentlichkeit vor Augen führen, wozu die Onkelz in der Lage sind und was wir in politischer Hinsicht tun können.


    Stichwort: Faschos auf eben jenem Konzert


    Stephan: Das waren irgendwelche Leute, die immer noch ein ganz falsches Bild von uns im Kopf haben und es nicht geregelt kriegen, uns so zu sehen, wie wir sind. Die fingen dann an, irgendwelche Parolen zu schreien und sind daraufhin ziemlich schnell rausgeflogen. Was mich in dem Moment ganz besonders gefreut hat, ist die Tatsache, dass 99 Prozent der Leute spontan „Nazis raus!“ gebrüllt haben, ohne dass wir sie erst dazu auffordern mussten. Das war für mich der positive Aspekt an der Geschichte.


    Rock Hard, 1993


    Stephan: Wir haben deutliche Signale gesetzt: Wir haben uns lange vor der großen Medienhatz des letzten Herbstes von unseren blöden, pubertären Sprüchen distanziert. Wir wollten mit der Unterstützung von Daniel Cohn-Bendit in Frankfurt ein antirassistisches Benefizkonzert veranstalten. Wir haben vor ein paar Wochen in Bremen ein „Rock gegen rechts“-Festival organisiert und finanziert. Und noch immer sollen wir rechtsradikal sein. […] Wir würden die antirassistische Fotoausstellung auch gern in Frankfurt zeigen, das Ding könnte auf Wanderschaft gehen. Wir haben nach dem Weihnachtspressegespräch letztes Jahr mit Cohn-Bendit x Mal telefoniert. Nix ist passiert. Wir wollten eigentlich hier in unserer Stadt deutlich zeigen, wo wir heute stehen: Nämlich auf der Seite der Opfer.


    Frankfurter Rundschau, 1993


    Stephan: Ich lauf doch nicht erst seit gestern mit langen Haaren rum, die wachsen doch nicht einfach so, das ist schon ein Prozess der schon ziemlich lange stattgefunden hat. Und ich denke, dass die Mehrheit der Schüler bestimmt mit Sicherheit weiß, wie’s um die Onkelz steht. Ich denk einfach, dass diese breite Öffentlichkeit, grade diese Zeitungsleser, Fernsehlandschaft, und so weiter, dass da eben ein bisschen umgedacht werden muss. Dass einfach mal überlegt werden muss, was man mit den Onkelz eigentlich auch machen kann, eben solche Sachen wie hier und heute [Rock gegen rechts, Bremen ’93], dass wir auch durchaus dafür einstehen können und einfach auch der Jugend ein positives Beispiel sein können, wie man sich auch wandeln kann, wie man aus seinen Fehlern lernen kann.


    NDR, „Buten & Binnen“, 1993


    Stephan: Wir wissen ganz genau, dass die Onkelz sich gewisse Dinge auch selbst zuzuschreiben haben. Die Dimension, die das alles angenommen hat, konnte keiner von uns wissen – und steht auch in keinem Verhältnis, was man der Band so nachsagt. Wir sitzen irgendwie zwischen den Stühlen. Für die Rechten sind wir Verräter oder sonst irgendwas, Kommunisten, et cetera. Für die Linken sind wir Nazis. Irgendwo in der Mitte ist ein Platz, an dem ich mich ganz wohl fühle. Nur diese Angriffe, von der Presse, die können wir so nicht auf uns sitzen lassen. Das ist einfach erstunken und erlogen. Also, um es ein für alle mal klarzustellen: Jeder, der meint, Onkelz seien eine faschistische Band und meint, mit seinem schrägen Gedankengut auf unsere Konzerte kommen zu müssen, der soll sich verpissen. Wir haben auf dieses ganze Nazipack keinen Bock! Leckt uns am Arsch!


    Hessischer Rundfunk, „Hessenschau“, 1993


    Gonzo: Wir sprechen uns gegen Rechtsradikalismus aus. Wir sind keine Rechtsradikalen, nie gewesen, und wir sprechen uns jetzt total dagegen aus. Das ist ’ne Szene, die mit uns und unserer Musik überhaupt nichts zu tun hat.


    Stephan: Leute, passt mal auf: „Hier sind wir, das war unsere Vergangenheit und wir haben draus gelernt“. Und wir können einfach nur dran appellieren, dass sie auch anfangen, sich mehr Gedanken über die ganze Sache zu machen bevor sie irgendwas Blödes rauslallen oder auf Asylanten losgehen oder auf Ausländer oder sonst irgendwas. Und ’ne gewisse Vorbildfunktion haben wir mit Sicherheit. Die Identifikation unserer Fans mit uns ist sehr stark, also stärker wie bei fast jeder anderen Band, was ich bisher gesehen habe. Und wir werden auch versuchen, irgendwie diesen Einfluss den wir haben, positiv auszunutzen. Aber ohne schulmeisterlich zu sein, und einfach die Leute zu erreichen, die vielleicht mit einem Bein in ’nem rechten Lager stehen, weil die ’ne Tendenz dazu haben, vielleicht gar nicht mal rechts denken, aber einfach aus Provokation, sonst irgendwas, denen einfach zu zeigen: „Jungs, das isses nicht“!


    Bayerischer Rundfunk, „Die Abendschau“, 1993


    Frage: Wie steht ihr denn heute zu einem problematischen Text wie „Türken raus“, zu diesen ausländerfeindlichen Parolen der frühen Tage?


    Gonzo: Also, wenn ich das heute hör, und wenn ich dran denk, dass das von uns vertont wurde, muss ich ganz ehrlich gesagt kotzen. Ich könnt’s mir heute nicht mehr anhören, ich kann’s heute in keinster Weise mehr nachvollziehen und würde sowas auch heute in überhaupt keiner Weise mehr machen. Das ist für mich wie ein Teil aus ’nem anderen Leben, praktisch.


    ARD, „Kulturreport“, 1993


    Stichwort: „Lieber stehend sterben“


    Stephan: Ein Trotzlied auf das, was uns im letzten Jahr passiert ist: Politiker, die unsere Konzerte unter irgendwelchen fadenscheinigen Vorwänden verboten und uns zu Sündenböcken für eine politische Situation gemacht haben, an der wir keine Schuld tragen.


    Stichwort: „Entfache dieses Feuer“


    Stephan: Ich denke oft, dass mit uns Menschen generell was nicht stimmt. Wenn wir alle das Herz am rechten Fleck tragen würden, dann würd’s in unserem Land vielleicht etwas besser aussehen. Das zeigt, dass wir nicht mit dem Hass einverstanden sind, der überall herrscht, und dass jeder bei sich selbst anfangen soll, wenn er was verändern will.


    Stichwort: „Das Wunder der Persönlichkeit“


    Stephan: Ich denke, dass in jedem Menschen was Besonderes steckt, und wenn jeder mehr an seinen Stärken arbeiten würde, wären solche Situationen wie die momentane vielleicht gar nicht denkbar.


    Stichwort: „Deutschland im Herbst“


    Stephan: Die Vorfälle im letzten Jahr, Rostock, Mölln, und so weiter, sind an uns nicht spurlos vorbeigegangen. „Deutschland im Herbst“ ist unsere Reaktion auf diese Ausschreitungen, und die Wortwahl zeigt deutlich, was wir davon halten: „Braune Scheiße“, das sind diese Chaoten für mich, nicht mehr und nicht weniger.


    Stichwort: „Schöne neue Welt“


    Stephan: Ein Stück über die momentane Situation in Europa. Einerseits wird von einem vereinten Europa gesprochen und wir machen alle nette Gesichter, andererseits erklären sich täglich irgendwelche Staaten für unabhängig und fangen Kriege mit ihren Nachbarn an. Jugoslawien ist da ja nur ein Beispiel von vielen.


    Rock Hard, 1993


    Stephan: Die Scheiße, die in letzter Zeit in unserem Land passiert, können wir so nicht hinnehmen. Wir beziehen klar Position, dass wir nicht mit irgendwelchen rechten Idioten sympathisieren. Es gibt immer noch ein paar Glatzen, die bei uns fehl am Platze sind.


    Frankfurter Rundschau, 1993


    Frage: Wo steht ihr denn jetzt politisch, sag’s bitte einmal klar und deutlich!


    Stephan: Definitiv sympathisieren wir auf jeden Fall nicht mit irgendwelchen Rechten, ich sympathisier allerdings auch nicht mit irgendwelchen unbelehrbaren Linken, muss ich dazu sagen.


    Frage: Also ihr versucht wirklich eueren Weg zu gehen, wie auch immer ihr das mit den Texten ausdrückt?


    Stephan: Objektiv zu sein drückt meine politische Einstellung aus, in allem was ich tue, und ich glaub, das kann man nicht, wenn man zu Extremen tendiert.


    Frage: Ihr seid auch genau in die Schusslinie von Sachen hineingerutscht, mit denen ihr damals noch gar nicht rechnen konntet.


    Stephan: Das war ’ne ganz andere politische Situation, das hat mit der Zeit, wie sie sich heute darstellt, oder mit den politischen Verhältnissen wie wir sie heute vorfinden, überhaupt nichts zu tun gehabt.


    Frage: Ihr habt Blindenschrift in die Covers des weißen und schwarzen Albums eingeprägt. Warum, und was steht da?


    Stephan: Weil ich der Meinung bin, dass die Leute, die weiterhin behaupten, Onkelz seien ’ne faschistische Band, blind oder taub sein müssen, dass die Leute sich auch endlich mal ’ne Platte kaufen können von uns und sich mit dem Thema ’n bisschen anders auseinandersetzen als sie das bisher getan haben.


    WDR, „Scream“, 1993


    Onkelz: Wir wissen, dass die Geschichte der Onkelz, ihre Anfänge und ihre Weiterentwicklung in der Öffentlichkeit auf Skepsis und Misstrauen stößt. Wir haben aus unseren Fehlern gelernt und weisen den Vorwurf ab, rechtsextremen Gedankengut zu folgen oder zu propagieren. Wir verurteilen: Rechten wie linken Terror, Gewalt gegen Minderheiten, Rassismus, Intoleranz.


    TV-Anzeige, MTV, 1993


    Frage: Seid ihr eine faschistische Band?


    Stephan: Nein. Vor fast elf Jahren machten wir diese beiden Songs, die fremdenfeindlich waren. Ich kann das nicht entschuldigen, es ist passiert, aber wir haben daraus gelernt. Wir gehen durchs Leben und wir sehen, was passiert und wir erkennen, dass wir Fehler gemacht haben, also wir haben diese Fehler erkannt und machen sie nicht noch einmal.


    Frage: Warum habt ihr diese beiden Anti-Türken-Songs geschrieben?


    Stephan: Wenn ich Bands wie Störkraft sehe, die heute solche Songs machen, ist das eine völlig andere Sache. Ich meine, das ist elf Jahre her, ich war 16, 17 Jahre alt und wir hatten all diese Auseinandersetzungen mit türkischen Gangs. Wir haben in Vorstädten gelebt, das ruft Hass hervor und wir haben das einfach rausgeschrieen, ziemlich unreflektiert.


    Frage: Warum habt ihr eure Einstellung geändert?


    Stephan: Das kann ich erklären: Ganz einfach, ich habe gelernt, dass es nicht der richtige Weg ist, andere Leute zu bekämpfen, ihnen die Schuld für mein Elend in die Schuhe zu schieben.


    Frage: Sollte Hate-Rock zensiert werden?


    Stephan: Ich glaube nicht, denn das macht es viel interessanter für einige Leute. Und ich stimme Campino zu, also man sollte mit Zensur auf jeden Fall sehr vorsichtig sein.


    Frage: Was denkst du, wie man an die rechten Kids rankommt? Auf welche Art kann man ihnen zeigen, dass Rassismus und Faschismus falsch ist?


    Stephan: Ich glaube, meine Band hat eine gute Chance an sie ranzukommen. Weil ich weiß, dass wir immer noch ein paar Leute unter unseren Zuhörern haben, die vielleicht mit einem Fuß im rechten Lager stehen oder was auch immer. Die können auf uns schauen und sehen: „Okay, das ist nicht die richtige Sache“. Vielleicht fangen sie an zu denken. Sicher, wir müssen mit denen diskutieren.


    Frage: Du könntest mit deiner Band erfolgreich deren Meinungen ändern?


    Stephan: Als Musiker hast du viel Einfluss und die Identifikation mit Bands ist ziemlich groß, also solltest du diesen Einfluss auf positive Weise einsetzen, um die Leute zum Denken zu bringen. […] Ich mein‘, das Problem ist das menschliche Wesen selbst, irgendetwas stimmt in unserem Verstand und Herz nicht.


    MTV, „Free Your Mind“, 1993


    Onkelz: Nie mehr „Türken raus“! Wir wissen, dass unsere Wandlung in der Öffentlichkeit auf Skepsis und Misstrauen stößt. Aber wir haben aus unseren Fehlern gelernt und hoffen auf eine faire Chance. Die neuen Böhsen Onkelz sind gegen rechten Terror, Rassismus, Gewalt gegen Ausländer, Intoleranz. – Nazis, Faschisten, Ausländerhasser, Rassisten – bei uns seid ihr falsch!


    Anzeige, Prinz, 1993

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