Distanzierungen 1989

  • 1989

    Frage: Kevin, du bist Tätowierer, kommen zu dir auch Leute die irgendwelche faschomäßigen Sachen draufhaben wollen?


    Kevin: Das gibt’s öfters.


    Frage: Machst du sowas?


    Kevin: Eigentlich nicht. Ich mach gar nix Politisches. Ob rot oder rechts, oder hin und her, ich will’s nicht machen. Die Leute, die sollen irgendwo anders hingehen. Weil wer sich sowas tätowieren lässt, der ist nicht mehr ganz dicht im Kopf. Egal für welche Politik oder welche Richtung, das is‘ einfach nur hier. Es kommen auch immer wieder Leute rein und lassen sich „Deutschland“ auf den Arm schreiben, ich mein‘, weißt du, es langt, wenn’s im Kopf ist, wenn man dazu steht oder so, aber das braucht man sich nicht tätowieren zu lassen.


    Frage: Wie steht ihr denn heutzutage zu Deutschland? Steht ihr noch zu irgendwelchen patriotischen Gefühlen die ihr mal hattet?


    Kevin: Direkt nicht, eigentlich. Ich bin selber kein Deutscher. Ich leb hier in dem Land und mir gefällt’s hier gut, und ich glaub, uns geht’s im Vergleich zu anderen Ländern am Besten.


    Stephan: Es gibt an allem irgendwas auszusetzen, es ist hier bestimmt nicht alles okay, und wir ham‘ bestimmt hier auch Missstände, an denen was getan werden müsste. Ich mein‘, ich fühl mich jetzt auch nicht mehr hier als irgendwie der totale Patriot, aber ich würd‘ jetzt auch nicht unbedingt gegen das Land herziehen, oder was weiß ich. Ich könnt vielleicht was gegen die Birne erzählen oder gegen solche Leute, aber was hat das jetzt unbedingt mit Deutschland zu tun? Die verkörpern für mich auch nicht Deutschland.


    Frage: Mich hat „Bomberpilot“ stark an „Bomben auf England“ erinnert.


    Stephan: Das kenn ich jetzt zum Beispiel nicht.


    Stichwort: „Falsche Propheten“


    Kevin: Sich von keinem Führer leiten zu lassen, egal welcher Art, das ist eigentlich damit gemeint.


    Frage: Wenn so ’n Kid sich eure letzte LP kauft […] und kriegt dieses „Türken raus“-Ding in die Finger, der kommt sicherlich auf den falschen Weg.


    Kevin: Ja gut, aber ich mein‘, das „Türken raus“-Ding oder so, das wird er niemals in die Finger kriegen. Weil das war nur ’n Demotape gewesen, und da kommt also kaum einer dran.


    Stephan: Das ist auch nie veröffentlicht worden. Da gibt’s einfach ’n paar Schwarzkopien von. Wir ham‘ Freunden ’n paar Bänder davon gegeben, und die ham‘ das vielleicht den anderen kopiert, und so ist das Band rumgegangen, wir ham‘ das also nie rausgebracht.


    Kevin: Ich mein‘, das wär‘ auch sicher nicht in unserem Interesse gewesen, ganz bestimmt nicht.


    Stichwort: Rechte Fans


    Stephan: Wir wollen kein Sprachrohr sein, für Organe, die ausländerfeindlich sind, oder sowas.

    […] Es gibt zwar bestimmte Stellen, wie Arbeitslosigkeit, et cetera, und die Gewalt, die sieht man auch wenn man’s Fenster aufmacht, das ist gar kein Problem, und dadrüber singen wir auch, aber wir verstehen uns nicht als Organ, jetzt hier irgendwie Ausländer zu verdammen, oder denen die Schuld in die Schuhe zu schieben, weil dafür gibt’s noch ’n paar andere Gründe.

    […] Wenn ’n Engländer sagt: „Ich bin stolz, ’n Engländer zu sein“ ist das ganz normal, wenn ’n Deutscher sagen würd‘ „Ich bin stolz, ’n Deutscher zu sein“ eckt das natürlich bös an. Das liegt halt an unserer Vergangenheit, darüber müssen wir uns bewusst sein.


    Frage: Wo kann man alte Platten von euch bekommen, wenn der Plattenladen sie nicht hat?


    Stephan: Im Zweifelsfalle bei Rock-o-Rama direkt, die ham‘ ja noch so ’n Vertrieb. Aber wie gesagt, davon rat ich ab.


    Frage: Wie steht ihr dazu, wenn Leute sagen: „Alles schön und gut was ihr erzählt habt, aber wir glauben’s euch halt nicht“?


    Stephan: Da kann ich nix dran ändern. Ich mein‘, ich kann nicht mehr tun wie meine Standpunkte irgendwie klar zu machen, die zu vertreten, mir selber auch Fehler einzugestehen, Sachen die ich so nicht mehr machen würde, Erklärungen dazu abgeben. […] Für uns wär’s auch leicht, zu sagen: „Wir machen einfach so weiter, wir verkaufen trotzdem 30, 40.000 Platten, auch ohne unsere Statements“. Wir laufen eher Gefahr, Fans zu verlieren, als welche zu gewinnen.


    Frage: Werdet ihr in Zukunft einen Song gegen Nazis machen?


    Stephan: Ganz klar nicht. Also höchstwahrscheinlich nicht. Aus dem einfachen Grund, weil ich glaube, dass die Leute, die uns nicht glauben, dass wir keine Nazis sind, die werden’s auch nach dem Song nicht glauben, und die Leute, die wissen, dass wir keine Nazis sind, die brauchen den Song eben nicht, weil sie’s eben wissen. Und außerdem, was für mich eigentlich der allerwichtigste Grund ist, ist der, dass wir von dem Druck, der von außen kommt, der sagt: „Ihr müsst jetzt so ’n Lied machen, das der Ruf irgendwie wegkommt“, allein schon aus dem Grund mach ich das nicht, würden wir das nicht machen.

    Weil wir lassen uns nix aufzwängen. Wenn, dann kommt das von uns innen raus, wir machen das aus irgendeiner Laune raus, aber nicht auf Druck von Außen, da lassen wir überhaupt gar nicht mit uns reden.


    Radio Bremen, „Wild Side“, 1989


    Publikum: Deutschland, Deutschland, Deutschland!


    Kevin: Quatsch, Deutschland!


    Publikum: Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!


    Kevin: Zu euerem Gebrülle hier vorne möchte ich euch nur einen Text nennen: „Falsche Propheten“!

    […]

    Publikum: Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!


    Kevin: Seid doch mal mit der Scheiße ruhig!

    […]

    Publikum: Deutschland, Deutschland, Deutschland!


    Stephan: Ja, haltet doch endlich mal’s Maul!


    Konzert Offenbach, 1989


    Onkelz: Für die Leute die uns immer wieder schreiben / „Mit langen Haaren können wir euch nicht leiden“: / […] / Wir sind die totalen Metaller / Und das ist unser Lügenmarsch / Leckt uns am Arsch


    Song „Lügenmarsch“, 1989


    Stephan: Wir wollten eigentlich schon auf jeder LP die Texte abgedruckt haben, weil wir gemerkt haben, dass gerade bei den alten Platten die Texte zum Großteil nicht verstanden wurden. […] Deswegen wurde uns bei manchen Texten auch unterstellt, sie seien rechtsradikal. Und das stimmt nicht!


    Reborn, 1989

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