Dinstanzierungen 1987

  • 1987

    Stichwort: Rechtsrock


    Pe: Es gibt sicherlich Gruppen, die Faschistisches im Sinn haben. Dazu gehören wir aber wirklich nicht!


    Gonzo: Mit sowas haben wir nie etwas am Hut gehabt! Parteipolitisch ist nie was gelaufen bei uns!


    Kevin: Politik ist ja total uninteressant! Das ist überhaupt kein Thema, weil: Politik in diesem Land ist undurchführbar! Deswegen interessiert mich Politik einen Scheißdreck, ich will nur leben wie ich will, das ist alles! Politik, und sich politisch überhaupt organisieren, das ist das Letzte! Das ist so ’ne Zeitverschwendung, also, in der Zeit kann ich was Besseres machen!


    Gonzo: Im Endeffekt läuft’s immer auf dasselbe hinaus, ob das die Grünen sind oder die CDU.

    Kevin: Alles Scheiße, alles Scheiße!


    Stichwort: Politisierung der Skinhead-Szene


    Stephan: Das haben sich die Leute teilweise auch selber zuzuschreiben.


    Kevin: Ja, genau! Die meisten Skins wollten das ja! Politisch organisieren muss man sich heutzutage als Skinhead, das ist nun mal so Pflicht und Order. Vor zwei Jahren fing das an. Und da mach ich nicht mit!


    Stephan: Das war doch weil die Leute zu doof sind, sich ihre eigenen Gedanken zu machen. Als wir angefangen haben, da war nur reiner Fun […]! Und dann, Skrewdriver, die kamen doch erst viel später. […] Das ist reine Propaganda, und deswegen mögen wir sowas auch nicht. Skrewdriver, das ist nicht unsere Musik! Auch gerade wegen der Texte, weil es macht halt keinen Spaß!


    Kevin: Ist einfach Quatsch, Unsinn! Aber England und Deutschland kann man in der Beziehung überhaupt nicht vergleichen! In England passt Skrewdriver rein, würde ich wahrscheinlich auch in England hören und fänd’s auch geil! Weil England eine ganz andere Mentalität wie Deutschland hat! Hier kann man die Musik überhaupt nicht hören, geht gar nicht, in England ist das ganz anders! Das Leben mit Pakistanis, Negern, hin und her, das ist ein ganz anderes Aufwachsen, das gibt’s in Deutschland nicht! Aber die Leute hier denken, das ist genau so ’n Fun.


    Stephan: Ja, aber das Schlimme ist doch, dass sie sich selber aus ihrer Umwelt nicht lösen können, durch ihre eigene Kraft, indem sie keine Arbeit finden oder sich hocharbeiten können. Und daher meinen sie, das wäre vielleicht eine Lösung, und vielleicht, wenn ein faschistisches Regime wäre und es gäb halt keine Ausländer, sind die vielleicht der Meinung, es würde ihnen vielleicht besser gehen, was ich aber nicht unbedingt so finde.


    Kevin: Vielleicht, weißt du nicht! Ich mein‘, vielleicht würde es denen besser gehen, die denken ja auch anders! Aber für uns ist es uninteressant.


    Gonzo: Die haben ja in England fast ein faschistisches Regime, guck dir doch mal die Eiserne Lady an! Faschistische Typen! Die verbieten dir alles, und dann wundern sich die Leute: Die haben gedacht, wenn sie in der National Front drin sind und die rankommen, dann würd’s abgehen, dass sie nun machen können, was sie wollen. Da haben sie sich aber ganz schön böse getäuscht! Läuft nicht so! Und das sehen die nicht!


    Stichwort: Unterschiedliche Fans


    Kevin: Wir machen Musik für jedermann. Wem die Musik gefällt, der soll sie hören. Wenn ein Neger die Musik hört, finde ich das auch okay!


    Frage: Dass schon so ’80, ’81 ziemlich viele Punks Böhse Onkelz und Skin-Platten gehört haben, das war okay?


    Gonzo: Da war alles noch nicht so politisch.


    Kevin: Damals, ’81, waren wir ja noch halb Punk-, halb Skingruppe. Das war ja damals auch zu vertreten.


    Stephan: Wir sind ja auch nicht alle zur gleichen Zeit Skins geworden, sondern das war Oi, das war unpolitisch, das war einfach nur Fun!


    Pe: Punk damals auch!


    Stephan: Und bei uns hat’s aufgehört, wo der Punk ins Linke reingezogen worden ist. Punk war am Anfang nur für uns, Außenseiter zu sein, Spaß zu haben.


    Kevin: Und so ist es jetzt auch bei den Skins, nur das wird ins Rechte gerückt. Und da hört’s für mich dann auch auf!


    Gonzo: Die Linken haben sich die Punks unter den Nagel gerissen und die Rechten versuchen, sich die Skins unter den Nagel zu reißen.


    Kevin: Ein richtiger Skinhead ist politisch total negativ eingestellt, politlos.


    Frage: Apolitisch?


    Kevin: Für mich ist es auf jeden Fall so. Weil anders geht es gar nicht.


    Frage: Viele Punks sind auf Skin umgestiegen, weil die Polithippies sich die Haare haben abschneiden lassen und plötzlich mit Iro daherkamen.


    Stephan: Das ist genauso, wie Rechte versucht haben, sich eine Glatze zu schneiden und da reinzukommen und die Skins auf ihre Seite zu ziehen.


    Kevin: Wir als Punker, wir waren nie politisch motiviert. Überhaupt nicht! Uninteressant! Saufen, Pogo und richtig Gewalt ohne Ende war alles!


    Gonzo: Uninteressant war das für uns! Wir wollten nur unseren Spaß haben.


    Kevin: Und dann waren da die Hippies! Ich meine, richtige Hippies gibt’s wahrscheinlich nur ganz wenige, richtige Blumenkinder von ’68 – ich meine, Hippies, was wir für Hippies halt hielten. […] Das waren Hippies mit Irokese und bunt und: Anarchie! Und da hört es auch für uns auf! Und jetzt ist es bei den Skins so.


    Gonzo: Wir waren als Punks politisch uninteressiert gewesen. Dann haben wir gesehen: „Jetzt kommt das Ganze in ’ne politische Sache rein, was machen wir jetzt? Das wollen wir nicht, wir wollen mit den Leuten nichts zu tun haben“. […] Jedenfalls wurden die Haare kürzer und dann sind wir Skinheads gewesen. Dann waren wir zwar noch dieselben wie vor einem halben Jahr, aber wir sind nicht Skinheads geworden aus dem Grund, weil: „Sieg Heil“ und rechts!


    Kevin: Auf keinen Fall!


    Gonzo: …sondern nur, weil wir weiter unseren Spaß haben wollten und uns von Leuten, mit denen wir als Punks nichts zu tun haben wollten, abgrenzen wollten.


    Kevin: Das kam aus England für uns auch ganz anders. Ich bin Skinhead geworden, weil ich dachte, das sind irgendwie ein bisschen geordnete Verhältnisse, ein bisschen härter. […]

    Da wird man jahrelang angepöbelt, nur weil man grüne Haare hat, als Punk. Das geht einfach nicht ab! Du wirst auch älter, das hat man doch irgendwann Leid, Mann! Ich will doch ein bisschen normaler werden. Und da war Skin halt für mein Denken die beste Ausflucht. Weil das war noch was, wo ich sagen kann: „Ich bin cool drauf, Jungs, lasst mich in Ruhe. Ich bleib gut drauf und ich denke mir, ich kann auch Hauen und Treten und bin vom Denken noch derselbe“, und deswegen bin ich auch hauptsächlich Skinhead geworden. Und da war irgendwie ein bisschen mehr Ordnung im Leben, den Eltern hat’s dann auch besser gefallen und es lief auch alles besser.

    Man wollte halt alles ein bisschen mehr auf Härte machen, anstatt so auf viel trinken und Koma und: „Eh, ihr Blöden!“. Und nichts mit Politik, von wegen: „Heil Hitler“, das überhaupt nicht – was soll denn das? So ’n Quatsch! Ich meine, wenn man damals leben würde – ist doch Scheiße! In der Hitlerjugend, ich würd‘ mir doch die Kugel geben! Was soll das denn?


    Gonzo: Stell dir mal vor, da wärst du ein größeres Arschloch als die Bullen!


    Kevin: Da hast du zehn Arschlöcher am Tag, die dir sagen, du sollst das und das machen. Das ist einfach logisches Denken, dass so eine Politik Scheiße ist! Ob links, ob rechts, das ist im Prinzip dasselbe, man kann mit der Politik nichts anfangen!


    Gonzo: So wie wir jetzt aussehen, dass wir uns die Haare haben wachsen lassen, das hat nichts damit zu tun, dass wir friedliche Menschen geworden sind oder eine andere politische Meinung haben: Eine politische Meinung können wir gar nicht vertreten in unserer Musik, da gibt’s viel zu viele Richtungen.

    Wir könnten sagen: „Also, wir machen jetzt nur noch einen auf total rechts“. Na gut, da würden wir vielleicht zwei Drittel von unseren Freunden, die unsere Musik hören, verlieren und ein Drittel würde dann zwar dabeibleiben, so ’n harter Kern. Aber was ich sagen wollte: Was uns auch bewogen hat, die Haare ’n bisschen länger wachsen zu lassen, das war, dass einfach die ganze Skinheadschiene auch wieder viel zu festgefahren war.

    Du bist da ja wieder in so eine Sackgasse reingelaufen. Genau das, was wir damals bei den Punks vermeiden wollten hat sich dann bei den Skinheads wiederholt. Du hast kurze Haare gehabt: Skinhead! Auf einmal warst du überall der Rechte!


    Kevin: Ich lasse mir doch von keinem Arsch sagen: Weil ich Skinhead bin muss ich jetzt singen: „Sieg Heil“ und „Gewalt“.


    Gonzo: Wenn ein paar hundert Leute da sind, stehen 30 Leute da, die machen „Sieg Heil“.


    Frage: Ihr wollt wahrscheinlich nicht groß das Publikum anmachen oder bei denen irgendwas erreichen?


    Stephan: Die sollen trinken, sollen Spaß haben, Aggressionen rauslassen, sollen von mir aus „Gewalt“ grölen! Das ist doch besser, als wenn sie in der Stadt rumlaufen und die Leute umschlagen!


    Gonzo: Die Leute merken, wir ändern uns nicht weil wir mehr Geld machen können, sondern wir entwickeln uns einfach weiter. Und die Entwicklung können die Leute auch mitmachen. […] Was die Leute bei uns erkannt haben, ist, dass wir nicht irgendwelche Parolen nachplappern, sondern dass wir unsere eigene Musik machen.


    Frage: Gibt es in Frankfurt verfeindete Gruppen, aus denen ihr euch zurückgezogen habt, dass ihr also nicht mehr voll in der Szene drin seid?


    Stephan: Unsere Szene sind die Leute, mit denen wir zusammen sind. Das ist aber nicht das, was man als Szene kennt! Da sind viele ehemalige Skins dabei, […] das sind halt Bekannte.


    Pe: Die eigentliche Szene ist mehr in der Batschkapp zu sehen, und da kommen wir sowieso nicht mehr rein. […] Wir sind die Kühlerfigur der Skinheads!


    Frage: Also wenn irgendwer Scheiße baut, der so aussieht wie ein Skinhead, da seid ihr dann Schuld, kann man das so sehen?


    Stephan: Zumindest sind wir Sprachrohr für Skins, und deswegen sind wir auch Ansprechpartner für die Leute und auch ein Angriffspunkt, weil Skin ist halt so ein Allgemeinbegriff und Böhse Onkelz sind immerhin nur vier Leute. Das geht auch leichter anzugreifen.


    Stichwort: „Erinnerungen“


    Stephan: Das ist, dass nicht alles gut war, was wir gemacht haben, dass wir aber trotzdem unseren Spaß gehabt haben. Das soll die Leute zum Nachdenken anregen, dass man heute allein dastehen muss, das ganze Gruppengedenke, Skins, Punks, ist nicht mehr angesagt. Selbst wenn einer Skin ist, da haben die meisten nur Mut, wenn sie in einer Gruppe sind. Die sollen für sich selber stark sein, das haben wir denen schon immer gepredigt!


    Pe: Da würde ich das Lied „Falsche Propheten“ nehmen.


    Stephan: Das hängt damit zusammen, dass uns die Leute manchmal zu ernst nehmen, das ist eine Art Gebetbuch für die. […] Sie gucken sich immer einen aus und hängen sich da dran, genauso wie die Christen, die haben da ihren Jesus. Also dass jeder seinen eigenen Grips anstrengen soll und seinen eigenen Weg gehen muss.


    Gonzo: Nimm doch Christus oder Hitler, und sie wollen so sein wie der!


    Stephan: Es ist einfacher, sich an irgendeine Gruppe hinten dranzuhängen. Wenn du was vorgeben musst, ist das viel komplizierter als wenn man nur was nachmachen will.


    Stichwort: Talkshow „Live aus dem Alabama“


    Pe: Politische Ecke, rein mit euch Drecksäcken, dann haben wir wenigstens unser Thema.


    Stephan: Wir haben in der Fernsehsendung versucht, die Skins in ein richtiges Bild reinzurücken. Aus Erfahrung raus bilde ich mir meine Meinung, das hat nichts mit Partei oder rechtsradikalen Sachen zu tun. Und das wollten wir damals klarstellen.

    Wir haben schlechte Erfahrungen gemacht und der Andere macht halt gute und denkt sich was Anderes. […] Ich will ja keinen davon überzeugen, genauso zu denken wie ich, nur ich will mir das Recht rausnehmen, meine Meinung frei zu äußern. Und das haben die Leute nicht verstanden.

    Die haben uns als Feindbild hingestellt. […] Also wenn einer was gegen Ausländer sagt, ist er schon ein Rechter. […] Wir sind ja auch nicht gerade die nettesten Menschen, was man sich so vorstellt im Fernsehen, da setzen sie halt eine ganz liebe Griechin hin […]. Und ein Türke, der Design studiert. Und dann stehen wir da als Proleten: „Guck dir mal die an, die Prolls und die Molls“, da war das Feindbild gleich da.


    Kevin: Da hätten sie uns lieber einen komischen Türken hingesetzt, wie man sich einen Türken so vorstellt.


    Gonzo: Das Problem bei der ganzen Sendung war, dass auch noch zwei Neonazis dagesessen haben, die uns in den Rücken gefallen sind.


    Pe: Mit Böhse Onkelz T-Shirts!


    Stephan: Und die haben dann natürlich angefangen, über Juden zu reden. Das waren zwei Rechtsradikale, die haben sich zu Wort gemeldet: „Ich steh zu Michael Kühnen“ – da war der Käs‘ gegessen.


    Kevin: Ich wollte fast aufstehen und sagen: „Leckt mich alle am Arsch“.


    Stephan: Dann hat [der Moderator] angefangen, zu mir zu sagen: „Stephan, guck mal, das sind eure Fans“, da hab ich gesagt: „Tut mir Leid, ich bin für jeden froh, der meine Musik hört“.


    Kevin: Man kann sich die Fans nicht aussuchen!


    Stephan: Auf der Straße, da herrschen ganz andere Gesetze. Wenn du in irgendeinem Block groß wirst, da sind zehn Leute, die wollen dir aufs Maul hauen, da musst du anfangen, dich zu wehren, um zu zeigen, dass du nicht der Arsch bist. Die [Leute vom Fernsehen] kommen alle aus einem guten Elternhaus, die werden aufs Abitur geschickt, dann studieren sie, verkehren in anderen Kreisen, haben ihren VW Golf Cabrio. Und dann kommen so Leute an und wollen dich in den Dreck ziehen, wo du doch den Dreck schon lange gesehen hast, die können dir eh nichts mehr erzählen. Und die sollten erstmal mit dem Leben fertigwerden, mit dem manche Jugendliche fertigwerden müssen, da würden die flennend auf der Straße sitzen und wüssten nicht mehr weiter.


    Eberwein / Drexler, „Skinheads in Deutschland“, 1987

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